Wie Airlines mit Wet Leasing immer öfter ihre Verantwortung auslagern – und was das für Reisende bedeutet
Immer öfter führen deutsche Airlines Flüge nicht mehr selbst durch – sondern lassen sie von anderen, meist kleineren Gesellschaften aus Osteuropa oder Südeuropa fliegen. Flugzeug, Besatzung, Verpflegung, sogar die Uniformen stammen dann nicht vom Anbieter, bei dem Sie gebucht haben. Diese Praxis nennt sich in der Branche Wet Leasing – ein Begriff, der den meisten Reisenden nichts sagt, aber längst den Flugalltag prägt.
Was bedeutet das konkret?
Ein Flug mit Lufthansa, Eurowings, Condor oder auch anderen wird zunehmend von Drittfirmen ausgeführt – etwa von SmartLynx aus Lettland, Wamos Air aus Spanien oder Air Baltic aus Litauen. Für den Kunden bleibt das zunächst unsichtbar. Gebucht wird auf der Lufthansa-Website, bezahlt wird der gewohnte Preis, auf dem Ticket steht eine deutsche Airline. Doch wer tatsächlich am Steuer sitzt, erfährt man oft erst direkt vor dem Einsteigen – wenn überhaupt.
Das Problem: Die eingesetzten Flugzeuge unterscheiden sich in Ausstattung, Komfort, Lautstärke, Kabinenklima und Sitzabstand. Auch der Service an Bord ist oft deutlich eingeschränkt. Wer einen Fensterplatz mit Steckdose erwartet, sitzt plötzlich in einer alten Maschine ohne Extras. Wer auf deutschsprachige Ansagen angewiesen ist, bekommt Durchsagen in Spanisch und (schlechtem) Englisch. Und wer einen bestimmten Sitzplatz oder Zusatzservice gebucht hat, kann diesen an Bord oft nicht nutzen – weil das Flugzeug ganz anders konfiguriert ist.
Lufthansa: Qualitätsversprechen mit Fußnote
Besonders auffällig ist diese Praxis inzwischen bei Lufthansa selbst. Gerade auf kürzeren europäischen Strecken – etwa von München nach Rom, Berlin oder Lyon – werden immer mehr Flüge von anderen Airlines durchgeführt. Häufig eingesetzt werden dabei Maschinen von Avion Express, SmartLynx oder Air Baltic – erkennbar an fremden Kennzeichen, geänderten Sitzplänen oder ungewohnten Uniformen.
Reisende berichten regelmäßig von enttäuschenden Erlebnissen: weniger Beinfreiheit als gebucht, kein Bord-Entertainment, eingeschränkter Service. Für viele Vielflieger ist das frustrierend – zumal sie bewusst bei Lufthansa buchen, um ein gewisses Niveau zu sichern. Wer sich auf bekannte Standards verlässt, erlebt bei solchen Flügen nicht selten ein „Billigfliegergefühl“ – obwohl der Preis alles andere als günstig war.
Eurowings: Der Name bleibt – der Inhalt wechselt
Auch bei Eurowings, der günstigeren Tochter von Lufthansa, ist das Prinzip inzwischen Alltag. Wer etwa einen Flug von Düsseldorf nach Palma bucht, kann sich nie ganz sicher sein, welche Airline am Ende tatsächlich fliegt. Air Baltic, Galistair, Marathon Airlines – sie alle springen regelmäßig ein, vor allem in der Urlaubssaison.
Die Folgen: Kunden, die Sitzplätze mit mehr Beinfreiheit bezahlt haben, finden diese in der eingesetzten Ersatzmaschine nicht. Wer Priority Boarding gebucht hat, wird in der Masse abgefertigt. Snacks, Getränke oder Unterhaltung – vieles ist reduziert oder entfällt ganz. Ärgerlich vor allem deshalb, weil die Buchungsmaske diese Unterschiede nicht erkennbar macht. Der Eindruck bleibt: Hier wird unter dem Markennamen verkauft, aber nicht mehr geliefert.
Condor: Mal moderner Airbus, mal spanische Vintage
Condor setzt auf der Langstrecke seit kurzem auf moderne Airbus A330neo – ein komfortables Erlebnis mit neuen Sitzen, Bordprogramm und angenehmer Kabine. Doch nicht alle Condor-Flüge werden mit diesen Maschinen durchgeführt. Vor allem auf Randverbindungen – etwa nach Halifax, Las Vegas oder Mauritius – springt oft ein Wet-Lease-Partner ein. Dann sitzt man nicht im neuen Condor-Airbus, sondern in einem gealterten Jet von Wamos Air oder Privilege Style. Oft ohne Vorwarnung, aber mit sichtbarem Unterschied.
Reisende berichten von schlechteren Sitzen, eingeschränkter Menüauswahl, lauter Kabine oder fehlendem Bordprogramm. Wer gezielt wegen des neuen Flugzeugtyps bucht, bekommt dann ein Produkt aus einer ganz anderen Liga – zum gleichen Preis, aber mit deutlich geringerem Gegenwert.
Aber auch auf Kurz- oder Mittelstrecken, zum Beispiel zu den Balearen oder den Kanaren, lässt Condor die Flüge mit einem Airbus A320 häufig von Heston Airlines oder anderen Billigfluggesellschaften durchführen.
Was Reisende wissen sollten
Für die Airlines ist dieses System betriebswirtschaftlich attraktiv: Man spart Fixkosten, gleicht Engpässe aus und kann kurzfristig auf Nachfrage reagieren. Doch die Kunden zahlen den Preis – nicht nur finanziell, sondern auch mit Unsicherheit, Frust und wachsendem Misstrauen.
Transparenz fehlt fast vollständig. Bei der Buchung wird oft nicht angezeigt, ob der Flug fremd durchgeführt wird. Das erfolgt dann ggf. per Mail später. Selbst auf der Bordkarte steht die tatsächliche Airline oft nur in kleiner Schrift. Bei Verspätungen oder Ausfällen ist dann unklar, wer verantwortlich ist. Die Fluggastrechte gelten formal zwar weiter, doch durch die Vielzahl an Akteuren wird es oft komplizierter.
Der größte Verlust aber ist das Vertrauen. Wer bewusst eine bestimmte Airline wählt – sei es aus Komfortgründen, wegen der Sprache oder wegen positiver Erfahrungen –, bekommt im Wet-Lease-System ein Überraschungspaket. Das ist weder fair noch kundenfreundlich.
Was können Passagiere tun?
Gegen die grundsätzliche Praxis des Wet Leasing können einzelne Reisende wenig ausrichten – sie ist zulässig und für Airlines ein kalkulierter Teil des Geschäftsbetriebs. Dennoch gibt es Möglichkeiten, sich besser zu orientieren oder bei Minderleistung zumindest nachzubessern:
Wer genau wissen will, wer den Flug durchführt, sollte vorab auf Portalen wie Flightradar24 oder Flightaware recherchieren. Diese zeigen in der Regel 24 bis 48 Stunden vor Abflug, welches Flugzeug und welche Airline tatsächlich geplant ist.
Bei gebuchten Zusatzleistungen, etwa Plätzen mit mehr Beinfreiheit oder Premiumservices, lohnt es sich, Bordkarte und Fotos aufzubewahren – um nach dem Flug bei der eigentlichen Airline eine Erstattung oder Kulanzleistung zu beantragen.
Auch bei Verspätungen oder Störungen bleibt immer die Airline der Ansprechpartner, bei der gebucht wurde – nicht der ausführende Wet-Lease-Partner. Die EU-Fluggastrechte gelten weiterhin.
Und schließlich gilt: Sichtbarkeit wirkt. Wer schlechte Erfahrungen sachlich, aber öffentlich mitteilt – etwa über Bewertungsportale oder direkt über die Airline-Kanäle –, erzeugt Druck. Viele Airlines reagieren inzwischen sensibler auf öffentliche Kritik als auf interne Beschwerden.
Reisebuch.de meint:
Flugreisen sollten planbar und nachvollziehbar sein – gerade in einem Markt, der mit Begriffen wie „Markenerlebnis“, „Komfort“, „Service“ und „Kundennähe“ wirbt. Doch das, was sich hinter dem Begriff „Wet Leasing“ verbirgt, entfernt sich zunehmend von diesen Idealen. Airlines verkaufen vertraute Namen – und liefern fremde Flugzeuge, wechselnde, oft niedrigere Standards mit weniger Verlässlichkeit.
Das mindert den Komfort und untergräbt das Vertrauen in ein System, das sich ohnehin schwer tut, die Erwartungen seiner Kunden zu erfüllen. Wer heute fliegt, sollte zweimal hinschauen – und sich bei „Mogelpackungen“ fragen: Will ich das unwidersprochen hinnehmen?
