Zwischen Wunschtraum, Kapitalbindung und Realität – eine faktenbasierte Bewertung
Eine kritische Analyse von Reisebuch.de
Kapitalaufwand und laufende Kosten
Ein durchschnittliches Ferienhaus in Norditalien oder Südfrankreich liegt derzeit bei etwa 350.000 bis 500.000 Euro, mit Spitzenwerten über 1 Million in Küstennähe. In deutschen Regionen wie Sylt oder Tegernsee beginnen brauchbare Objekte bei 600.000 Euro. Selbst in Polen, Portugal oder Bulgarien sind die Preise in den letzten zehn Jahren um 80 bis 150 % gestiegen.
Hinzu kommen jährlich rund 3.000 bis 7.000 Euro an Betriebskosten (Grundsteuer, Instandhaltung, Verwaltung, Versicherung), je nach Land, Ausstattung und Lage. Bei einer Finanzierung entstehen bei 500.000 Euro Kaufpreis und 3,5 % Zinsbelastung etwa 17.500 Euro reine Zinskosten pro Jahr – ohne Tilgung.
Eine Umfrage des Immobilienportals Immowelt zeigt: Über 60 % der Käufer unterschätzen den Aufwand für laufende Pflege und Nebenkosten, besonders im Ausland.
Rendite und Vermietung: Wunsch und Wirklichkeit
Die Hoffnung auf Refinanzierung durch Ferienvermietung ist weit verbreitet. Doch laut FeWo-direkt liegt die durchschnittliche Auslastung von Ferienhäusern in Europa bei rund 130 Tagen im Jahr – etwa 35 % des Kalenders. Nur stark nachgefragte Regionen wie die Algarve oder Südtirol erreichen Spitzenwerte von 180 bis 200 Tagen. In Deutschland liegt die Durchschnittsauslastung bei 120 Tagen.
Die durchschnittliche Nettojahresrendite nach Abzug aller Kosten liegt laut Engel & Völkers bei Ferienimmobilien in Deutschland bei 1,9 bis 2,4 %, in Spanien bei rund 2,8 %, in Frankreich bei 1,5 %. Das reicht kaum für eine wirtschaftlich sinnvolle Kapitalanlage, insbesondere wenn kein Eigenbetrieb vor Ort möglich ist. Agenturprovisionen von 20 bis 35 % auf die Mieteinnahmen sind gängige Praxis.
Gleichzeitig wächst die Regulierung: In Amsterdam wurde die private Kurzzeitvermietung auf 30 Tage pro Jahr begrenzt, auf Mallorca dürfen in vielen Wohngebieten keine neuen Ferienvermietungen mehr registriert werden, in Barcelona wurde der Neubau von Ferienwohnungen 2024 gesetzlich gestoppt.
Eigennutzung: Vorteil oder Selbstbindung?
Viele Käufer träumen davon, den Ort ihrer Ferien unabhängig und regelmäßig zu nutzen. In der Praxis liegt die durchschnittliche Eigennutzung einer Ferienimmobilie laut Statista bei rund 28 Tagen pro Jahr – oft verteilt auf 2–3 Aufenthalte. Das bedeutet: In mehr als 90 % des Jahres steht das Objekt leer oder wird anderweitig genutzt.
Die Kosten für diese 28 Tage summieren sich – mit realistischen Gesamtkosten von 15.000 Euro pro Jahr ergibt sich ein Tagespreis von über 500 Euro, selbst ohne Finanzierung. Hinzu kommt: Wer einmal gekauft hat, entscheidet sich automatisch gegen andere Reiseziele – Flexibilität geht verloren, auch wenn sich die eigenen Lebensumstände ändern.
Zweitwohnungsproblematik und soziale Folgen
Der anhaltende Kaufboom treibt in vielen Regionen die Immobilienpreise und verschärft die Wohnungsnot. Eine Studie der Universität Salzburg zeigt, dass Gemeinden mit einem Zweitwohnsitzanteil über 20 % langfristig Bevölkerung verlieren, weil Einheimische abwandern. In Südtirol, Graubünden und auf Sylt hat der Anteil der Zweitwohnungen in einigen Orten bereits 50 % überschritten.
Zahlreiche Gemeinden reagieren: In Tirol gelten Begrenzungen auf maximal 8 % Zweitwohnungen pro Gemeinde. In Barcelona, Lissabon und Palma de Mallorca gibt es Sperrzonen für touristische Nutzung. In Dänemark dürfen Ausländer seit Jahrzehnten keine Ferienimmobilien ohne Genehmigung kaufen – aus Angst vor „Entsiedelung durch Freizeit“.
Risiken im Ausland: Recht, Steuern, Kontrolle
In Spanien, Italien oder Kroatien unterscheiden sich Eigentumsformen und Grundstücksrechte deutlich vom deutschen Modell. Die Notarkultur ist anders, staatliche Register sind teils veraltet oder fehlerhaft. Im schlimmsten Fall kaufen Ausländer illegal erschlossene Objekte ohne Baugenehmigung – ein Problem, das laut EU-Kommission vor allem in Griechenland, Bulgarien und Spanien auftritt.
Zudem drohen steuerliche Doppelbelastungen: Einkünfte aus Vermietung müssen vor Ort versteuert werden, häufig zu Pauschalsätzen von 19 bis 25 %, teils zusätzlich mit Quellensteuer. Die deutsche Steuerpflicht bleibt bestehen. Nur mit Steuerberater im Zielland lässt sich das korrekt regeln – oft ein Zusatzaufwand von 1.000 Euro pro Jahr.
Wiederverkauf: schwierig, träge, illusionsbelastet
Der Markt für Ferienimmobilien ist intransparent und träge. Viele Eigentümer überschätzen den Marktwert ihrer Immobilie. Laut Immoscout24 stehen Ferienobjekte im Schnitt 12 bis 18 Monate zum Verkauf, oft mit mehrfachen Preisreduktionen. Kaufinteressenten verhandeln härter als bei Erstwohnsitzen, insbesondere wenn Modernisierungen anstehen.
Hinzu kommen geopolitische und ökologische Risiken: Der Klimawandel verschiebt Urlaubspräferenzen. Regionen mit steigender Trockenheit (z. B. Algarve, Dalmatien, Chalkidiki) drohen an Attraktivität zu verlieren. Die Versicherungswirtschaft prognostiziert steigende Prämien für Ferienhäuser in Küstennähe und waldbrandgefährdeten Zonen.
Empfehlung: Wann es wirklich sinnvoll ist
Aus rationaler Sicht lohnt sich der Kauf einer Ferienimmobilie nur unter spezifischen Bedingungen:
- Nutzung von mindestens 60 Tagen pro Jahr
- weitgehende Unabhängigkeit von Vermietungseinnahmen
- hohe emotionale Bindung oder familiäre Langzeitplanung
- sehr gute Kenntnisse der Region und Rechtslage
- Bereitschaft, sich dauerhaft mit Verwaltung und Instandhaltung zu beschäftigen
Mieten statt kaufen!
Für die Mehrheit der Interessenten dürfte Mieten in Summe kostengünstiger, flexibler und deutlich entspannter sein. Laut einer Vergleichsrechnung von Finanztip ist Mieten in den ersten 15 Jahren in 85 % der Fälle günstiger – insbesondere, wenn der Reisestil sich verändert oder der emotionale Reiz nachlässt.