Genf (ca. 200.000 Einwohner) bildet das Zentrum der „Französischen Schweiz“. Die zweitgrößte Stadt der Schweiz (nach Zürich) wurde im Laufe der Jahrhunderte von verschiedenen Kulturen geprägt. Die Altstadt, die „Vieille Ville“, zeugt von der mittelalterlichen Vergangenheit der Stadt mit engen Gassen, Kopfsteinpflasterstraßen und historischen Gebäuden.
Der Lac Leman mit seinen einladenden Promenaden ist zweifellos die Hauptattraktion der Stadt. Das berühmte Jet d’Eau, ein riesiger Wasserstrahl im See, ist zu einem Wahrzeichen geworden. An klaren Tagen erhebt sich im Hintergrund die imposante Kulisse der Mont Blanc Massiv-Gipfel.
Genf ist auch ein wichtiges Zentrum für internationale Organisationen, u.a. die Vereinten Nationen, das Rote Kreuz und die Weltgesundheitsorganisation. Das CERN, das Europäische Kernforschungszentrum, das für seine bahnbrechende Arbeit in der Teilchenphysik bekannt ist, wurde bereits Mitte des 20. Jhd. in der Nähe von Genf angesiedelt.
Die Stadt bietet darüber hinaus eine reiche Kulturszene mit Museen, Theatern und Musikveranstaltungen.
Genf ist heute eine kosmopolitische, multikulturelle Stadt, die weiterhin eine wichtige Rolle in der globalen Diplomatie, Forschung und Kultur spielt.
Genf als Magnet für Künstler, Literaten, Wissenschaftler und Bildungsreisende
Genf hat seit langem Künstler, Literaten, Wissenschaftler und Bildungsreisende angezogen. In der Vergangenheit war die Stadt ein Treffpunkt für intellektuelle Diskussionen und kulturellen Austausch.
Berühmte Schriftsteller wie z.B. Jean-Jacques Rousseau, Mary Shelley, George Eliot (Mary Anne Evans) und William Somerset Maugham haben zeitweise in Genf gelebt und gearbeitet. Mary Shelley schrieb hier sogar die Anfänge ihres berühmten Romans „Frankenstein“. Die Stadt bot ihnen eine inspirierende Umgebung und einen Ort für intellektuelle Debatten.
Auch für Wissenschaftler war Genf ein Anziehungspunkt. Das CERN, wie bereits erwähnt, ist ein herausragendes Beispiel dafür. Hier haben einige der bedeutendsten Fortschritte in der Teilchenphysik stattgefunden, und Wissenschaftler aus der ganzen Welt kommen hier zusammen, um an Projekten von globalem Ausmaß zu arbeiten.
Die multikulturelle Atmosphäre, die Anwesenheit von internationalen Organisationen und die Vielfalt der Forschungseinrichtungen machen Genf zu einem Ort, der Wissenschaftler und Forscher verschiedenster Fachrichtungen anzieht.
Die Stadt hat auch eine lange Tradition als Bildungsziel. Die Universität Genf ist eine angesehene Institution, die eine breite Palette von Studienmöglichkeiten bietet.
Insbesondere während der 1920er und 1930er Jahre war Genf ein wichtiger Anlaufpunkt für Künstler, Literaten und Intellektuelle, darunter u.a. auch der berühmte englische Schriftsteller William Somerset Maugham. Maugham war von der Stadt und ihrer Umgebung fasziniert und nutzte sie als Inspirationsquelle für seine Werke. Der Erfolgsautor war auch ein regelmäßiger Besucher der Grand Hotel des Bergues in Genf, wo er angeblich Inspiration für seine Erzählungen fand. Auch seine heute noch lesenswerten Geschichten um den Geheimagenten Ashenden haben Genf als Ausgangs- und Bezugspunkt.
Jorge Louis Borges (1899-1987), der einflussreiche argentinische Schriftsteller und Mitbegründer des „magischen Realismus“ ging in Genf von 1914 – 1919 zur Schule und machte dort am renommierten „Collège Calvin“ sein Abitur. Fast 70 Jahre später kam er nach Genf zurück, um hier zu sterben und begraben zu werden.
Die kosmopolitische Atmosphäre der Stadt, die Anwesenheit von Diplomaten, Wissenschaftlern und Künstlern sowie die malerische Umgebung des Genfer Sees trugen zur Anziehungskraft von Genf auf Künstler, Literaten und Intellektuelle bei.
Meilensteine der Kulturgeschichte von Genf
Reformation: Genf spielte eine entscheidende Rolle in der protestantischen Reformation des 16. Jahrhunderts. Unter der Führung von Johannes Calvin wurde die Stadt zu einem Zentrum der reformierten Bewegung. Calvins Lehren beeinflussten nicht nur die religiöse Landschaft, sondern auch das soziale und politische Leben.
Aufklärung und Literatur: Das 18. Jahrhundert war geprägt von intellektuellen Bewegungen und Kulturentwicklungen. Jean-Jacques Rousseau, prominenter Philosoph und Schriftsteller, wurde in Genf geboren und prägte die Aufklärung mit seinen Ideen zur individuellen Freiheit und der Rolle des Individuums in der Gesellschaft.
Kulturelle Vielfalt: Die Anwesenheit von internationalen Organisationen und Diplomaten machte Genf zu einem Schmelztiegel der Kulturen. Dies spiegelt sich z.B. in der Kunst, Musik und Gastronomie der Stadt wider. Heute prägen wie in kaum einer anderen europäischen Metropole Residenten und Besucher aus zahllosen Ländern in friedlicher Koexistenz das bunte Stadtbild.
Uhrenindustrie: Die Tradition der Präzisionsuhrenmacherei hat in Genf ihren Ursprung. Die Stadt ist seit Mitte des 16. Jhd. bekannt für hochwertige Uhrmacherkunst und Luxusuhren der berühmten gewordenen Marken, was einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft und Kultur hatte.
Bildung und Wissenschaft: Die Universität Genf wurde 1559 gegründet und ist eine der ältesten Universitäten der Schweiz. Die Stadt war ein Zentrum für wissenschaftliche Entdeckungen und Innovationen. Das CERN, als herausragendes Beispiel, hat zu bedeutenden Fortschritten in der Teilchenphysik geführt.
Kunst und Museen: Genf beherbergt eine Vielzahl von Museen, darunter das Musée d’Art et d’Histoire mit einer beeindruckenden Sammlung von Kunstwerken, Skulpturen und historischen Artefakten.
Internationale Organisationen: Genf ist der Sitz vieler internationaler Organisationen, darunter die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation WHO und das Rote Kreuz, das 1863 hier von dem Schweizer Henry Dunant gegründet wurde. All dies hat die Stadt zu einem wichtigen Knotenpunkt für diplomatische und politische Aktivitäten gemacht.
Jean Calvin und Genf
Johannes Calvin wurde 1509 in Noyon, Frankreich, geboren. Er studierte zunächst Rechtswissenschaften, wandte sich jedoch später der Theologie zu. Nachdem er begonnen hatte, reformatorische Ideen zu vertreten, musste er aufgrund seiner Überzeugungen Frankreich verlassen. Und so kam er 1536 nach Genf.
In Genf wurde Calvin von Guillaume Farel überredet zu bleiben und in der reformatorischen Bewegung mitzuarbeiten. Gemeinsam setzten sie Reformen in der Kirche und im gesellschaftlichen Leben der Stadt um. Calvins Lehren betonten die Souveränität Gottes, die Prädestination (die Idee, dass Gottes Auswahl der Erlösten vorherbestimmt ist) und eine strenge moralische Ethik.
Calvins Einfluss in Genf war immens. Er half bei der Gestaltung der Kirchenstruktur und führte eine Art „Kirchenstaat“ ein, in dem die Kirche und die Zivilverwaltung eng miteinander verknüpft waren. Er setzte sich für eine strenge Disziplin in der Gemeinschaft ein, die von sogenannten „Kirchenzucht“ und strengen moralischen Standards geprägt war.
Calvin schrieb zahlreiche theologische Werke, darunter seine berühmten „Institutio Christianae Religionis“, in der er seine Ansichten detailliert darlegte. Seine Schriften wurden weit verbreitet und hatten einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des reformierten Protestantismus.
Obwohl Calvin eine umstrittene Figur war und einige seiner Methoden als autoritär empfunden wurden, kann sein Wirken in Genf nicht geleugnet werden. Sein Einfluss auf die theologische Landschaft, die Kirchenorganisation und die Ethik war tiefgreifend und hat bis heute nachgewirkt.
Calvin lebte in Genf während seiner Zeit als Reformator und Theologe in verschiedenen Häusern. Eines seiner bekanntesten Wohnhäuser war das Maison Mallet, auch bekannt als Calvin’s Residence, das sich in der Nähe der Kathedrale Saint-Pierre in Genf befand.
Das Maison Mallet diente Calvin nicht nur als Wohnhaus, sondern auch als Ort für theologische Diskussionen, Studien und Lehren. Das Haus wurde zu einem Zentrum der reformatorischen Bewegung und des intellektuellen Austauschs.
Heutzutage ist das Maison Mallet ein historisches Museum und eine Gedenkstätte, die Besuchern einen Einblick in Calvins Leben und sein Wirken in Genf bietet. Es ist eine wichtige Stätte für diejenigen, die an der Geschichte der Reformation und des reformierten Protestantismus interessiert sind.
Rousseau und Genf
Jean-Jacques Rousseau war ein Philosoph, Schriftsteller und Komponist aus dem 18. Jahrhundert. Er wurde 1712 in Genf, geboren. Rousseaus Ideen zur politischen Philosophie, Erziehung und menschlichen Natur hatten einen erheblichen Einfluss auf die Aufklärungszeit und spätere politische Denkrichtungen.
Genf spielte eine bedeutende Rolle bei der Formung seiner Gedanken. Die Stadt war bekannt für ihre starke Betonung der bürgerlichen Tugend und direkter demokratischer Praktiken. Rousseaus Werke „Der Gesellschaftsvertrag“ und „Emile oder Über die Erziehung“ sind einige seiner bemerkenswerten Arbeiten, die seine Ansichten zur Regierung und Erziehung diskutieren.
Rousseaus Beziehung zu Genf war komplex, und er kritisierte oft die Gesellschaft und Regierung der Stadt, während er gleichzeitig Inspiration aus ihren demokratischen Traditionen schöpfte. Seine Ideen legten den Grundstein für Diskussionen über Staatsbürgerschaft, Demokratie und individuelle Rechte.
Jean-Jacques Rousseau verbrachte eine Zeit lang auf der St. Peterinsel im Bielersee nordwestlich von Bern. Dorthin zog er sich im Jahr 1765 zurück, um vor den sozialen und politischen Konflikten in Genf zu fliehen. Hier konnte er sich in Ruhe seine Ideen zur Erziehung und zur Gesellschaft weiterentwickeln.
Heute trägt eine kleine Insel in der Rhonemündung vor der zentralen Mont Blanc Brücke in Genf den Namen des berühmten Sohnes der Stadt. Eine imposante Statue des Philosophen thront hier unübersehbar zu seinen Ehren.
Sisi und Genf
Sisi, die legendäre Kaiserin Elisabeth von Österreich, hatte eine persönliche und letztendlich fatale Verbindung zu Genf. Sie verbrachte immer wieder einige Zeit in der Stadt und der weiteren Umgebung, insbesondere in den Jahren 1892 und 1893. Während ihrer Aufenthalte besuchte sie z.B. das Château de Pregny ihrer betuchten Freundin Julie Rothschild. Sisi war bekannt für ihre Liebe zur Natur und ihre Passion für lange Spaziergänge. Ihr Besuch in Genf trug zur Popularisierung der Region bei und hinterließ romantische Erinnerungen an ihre Anwesenheit in der Stadt.
Tragischerweise wurde die Kaiserin als vermeintliche Repräsentantin der tyrannischen Habsburger Monarchie am 10. September 1898 auf der See-Promenade von dem italienischen Anarchisten Luigi Lucheni mit einer Feile ermordet. Die Mordtat löste eine internationale Welle der Empörung aus. Über 30.000 Menschen und der untröstliche Kaiser Franz Josef begleiteten am 14. September den Sarg mit Sisis Leichnam zum Bahnhof.
Am Ort des Attentats gegenüber dem berühmten Edelhotel Beau Rivage, wo sie in ihrer Suite verstorben war, wurde am 100. Jahrestag ein lebensgroßes Denkmal der unglücklichen Kaiserin eingeweiht – heute eine Anlaufstelle für Sisi-Fans aus aller Welt.