Zwischen Mittelmeer und Atlantik: Frühling und Herbst an Andalusiens Küste

| von if

Die andalusische Südküste zeigt zwei Gesichter: im heißen Sommer quirlig-überlaufen, in den milden Frühlings- und Herbstmonaten dagegen entspannter und authentischer. Zwischen der Provinzhauptstadt Málaga am Mittelmeer und dem Hafenstädtchen Tarifa am Atlantik, von den Felsen von Nerja bis zu den Stränden von Cádiz und Conil de la Frontera, entfaltet sich eine Küstenroute voller Kontraste. Wer sie außerhalb der Hochsaison bereist, den erwarten angenehme Temperaturen und viel Atmosphäre statt Massentrubel. Dabei gilt es freilich, auch mit eingeschränkten Verbindungen und dem ruhigen Takt der Nebensaison zu planen. Die Belohnung: Andalusien zeigt sich in diesen Monaten von seiner ehrlichen und erholsamen Seite – mit leeren Stränden, lebendiger Kultur und kurzen Wegen bis nach Nordafrika.

Zwischen Mittelmeer und Atlantik: Frühling und Herbst an Andalusiens Küste
Nerja - ein ganz besonderes Highlight an der östlichen Costa del Sol; Foto: if/reisebuch.de

Ein Reisebericht von der Costa del Sol zwischen Nerja und Càdiz mit Abstecher nach Tanger/Marokko in der Nebensaison

Mildes Klima und Reisezeit-Vorteile

Andalusien rühmt sich eines mediterranen Klimas mit rund 320 Sonnentagen im Jahr. Schon im März klettert das Thermometer tagsüber häufig über 20 °C, und bis in den Mai hinein bleibt es tagsüber angenehm warm. Abends und nachts ist es im Frühjahr im Gegensatz zum Herbst meist noch recht frisch. Im Oktober sind Badetage an geschützten Küstenabschnitten keine Seltenheit, während es erst ab November unbeständiger wird. Frühling und Herbst gelten vielen als beste Reisezeit: Die Sonne brennt nicht mehr so unerbittlich wie im Hochsommer, doch die Tage sind lang und hell. Outdoor-Aktivitäten wie Wandern und Radfahren machen jetzt besonders Spaß, und auch Surfer schätzen den Herbst an Atlantik und Mittelmeer aufgrund der idealen Winde. Zugleich sind die Besucherzahlen moderat.

„Zu dieser Jahreszeit ist noch weniger los“, bestätigt ein aktueller Reisebericht über die Costa del Sol; im April etwa herrschen schon 20 °C und mehr, aber ohne die Menschenmassen des Sommers. Davon profitiert nicht nur die Stimmung, sondern auch das Reisebudget: Abseits von Ferien und Großveranstaltungen sind Unterkünfte deutlich günstiger zu haben als in der Hauptsaison – Hotelpreise können im Sommer leicht doppelt so hoch liegen wie in der Nebensaison.

Ausnahme: Rund um Ostern und die Semana Santa (Karwoche) schnellen die Tarife kurzzeitig in die Höhe, da ganz Andalusien farbenprächtige Prozessionen feiert.

Allerdings hat die Idylle der Nebensaison auch ihre Schattenseiten. Einige touristische Betriebe machen Winterpause, vor allem an kleineren Urlaubsorten. „Bei weitem nicht alle Hotels öffnen das ganze Jahr über, etliche schließen über den Winter“, warnt ein Reiseführer zur Atlantikküste – teils bis in den Februar hinein.

Ab November werden die Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwas ausgedünnt; selbst zwischen größeren Orten wie Tarifa und Cádiz fahren dann nur noch wenige Busse pro Tag (z. B. drei Direktverbindungen täglich). Wer flexibel bleiben möchte, setzt deshalb lieber auf einen Mietwagen, zumal Andalusiens Küste durch moderne Autovías und Autobahnen gut erschlossen ist. Insgesamt aber überwiegen die Vorteile der Nebensaison: Man reist entspannt und klimatisch angenehm – ideale Bedingungen also, um Andalusiens Küste in Ruhe kennenzulernen.

Málaga – Kulturstadt mit Hafenflair an der Costa del Sol

Die Reise beginnt in Málaga, der zweitgrößten Stadt Andalusiens und Tor zur Sonnenküste. Anders als manche Bettenburgen der Umgebung ist Málaga keine Retortenstadt, sondern blickt auf 2.800 Jahre Geschichte zurück – Phönizier, Römer und Mauren hinterließen hier ihre Spuren. Heute präsentiert sich die Hafenmetropole überraschend kulturell: Vom Picasso-Museum (der weltberühmte Maler wurde 1881 in Málaga geboren) über das Centre Pompidou bis zur historischen Festungsanlage Alcazaba gibt es reichlich zu entdecken. Letztere thront oberhalb der Altstadt und zeugt mit ihren maurischen Mauern und Gärten von der islamischen Epoche. Unten in der Stadt laden die palmengesäumte Uferpromenade und zahllose Straßencafés dazu ein, bei milden 22 °C im April einen Café con leche im Freien zu genießen. Auch im Oktober, wenn die Sommersonne andernorts längst an Kraft verloren hat, bleiben die Abende in Málaga oft lau – ein Effekt der geschützten Lage am Mittelmeer.

Doch Málaga hat zwei Gesichter: östlich der Stadt beginnen sanft die Ausläufer der Betischen Kordillere, westlich hingegen erstreckt sich die durch und durch urbane Küstenachse der Costa del Sol. Viele Badeorte in unmittelbarer Nähe (Torremolinos, Benalmádena, Fuengirola) wurden seit den 1960er Jahren mit Hochhäusern und Hotels bebaut, was der Region den Ruf eines „Betonparadieses“ eingebracht hat. In den Sommermonaten herrscht dort dichtes Gedränge – Strände wie die Playa de la Carihuela oder die Malagueta sind dann voller Urlauber.

Im Frühling oder Herbst jedoch zeigt sich auch die sonst stark touristisch geprägte Costa del Sol von einer angenehmeren Seite: Leere Strandpromenaden, genügend Parkplätze und entspannte Einheimische, die ihren Alltag zurückhaben. Reisefachleute empfehlen ausdrücklich, die Region möglichst in der Nebensaison zu besuchen, um Menschenmassen zu vermeiden und die angenehmen Temperaturen zu genießen. Málaga selbst pulsiert ohnehin das ganze Jahr. Als richtige Stadt (mit über 570.000 Einwohnern) bietet sie ganzjährig geöffnete Restaurants, städtische Märkte und ein Nachtleben, das auch im Dezember nicht einfriert. Wer hier startet, kann sich also jederzeit mit allem nötigen ausstatten, bevor es entlang der Küste weitergeht.

Nerja – Weiße Dörfer und Natur statt Beton

Verlässt man Málaga ostwärts, ändert sich das Landschaftsbild rasch. Die Autobahn schmiegt sich an steile Küstenhänge, darunter funkelt das Meer, und weiße Ortschaften klammern sich an die Berghänge. Nerja, gut 50 km von Málaga, markiert das östliche Ende der klassischen Costa del Sol – und gilt als Gegenentwurf zu den Touristenzentren des Westens. „Die Gegend um Nerja Richtung Osten ist noch nicht so zersiedelt wie Marbella, Estepona & Co. an der westlichen Seite“, betont ein Reiseführer. Statt Hochhäusern prägen hier niedrige, weiß getünchte Häuser, enge Gassen und Fincas in den Hügeln das Bild. Das Städtchen selbst hat sich trotz seiner Beliebtheit viel spanisches Flair bewahrt. Im historischen Zentrum findet man gemütliche Tapas-Bars neben alten Kirchen, und auf dem Balcón de Europa, einer Aussichtsplattform hoch über der Küste, versammeln sich abends Einheimische wie Besucher, um den Blick über das Mittelmeer zu genießen.

Nerja ist zudem von Natur gesegnet. Direkt westlich erstreckt sich das Naturschutzgebiet Maro-Cerro Gordo, wo zerklüftete Klippen und versteckte Buchten ein Gefühl von Abgeschiedenheit vermitteln. Wanderwege führen hier durch duftende Macchia zu spektakulären Aussichtspunkten. Im Frühjahr blüht es überall: Ginster, Wildblumen und Kräuter bedecken die Hänge in Farbtupfen – ideale Bedingungen für Spaziergänge in frischer Meeresbrise.

Bekannt ist Nerja auch für seine Tropfsteinhöhlen: Die Cueva de Nerja gehört zu den größten Schauhöhlen Europas. Ihr gewaltiger unterirdischer Saal mit Stalaktiten und Stalagmiten bietet sogar eine Bühne für Musikfestspiele. In der Nebensaison kann man diese Attraktionen ohne langen Andrang erleben; oft hat man einen Strandabschnitt oder einen Mirador ganz für sich allein.

Natürlich gibt es auch in Nerja Ecken, in denen die Entwicklung nicht haltmachte – einige Urbanizaciónes am Stadtrand zeugen vom Ferienwohnungs-Boom. Doch insgesamt wirkt das Örtchen selbst im Sommer familiärer und im Winter nicht ausgestorben. Viele Geschäfte haben das ganze Jahr geöffnet, und zahlreiche Nordeuropäer überwintern hier wegen des milden Mikroklimas. Sollte das Wetter im Dezember doch einmal auf 15 °C sinken, wärmt man sich eben bei einem gegrillten Sardinenspieß (Espeto) in einer der Strandbuden. Spätestens im März aber kehrt der mediterrane Frühling zurück und lässt Bougainvilleen und Mandelbäume erblühen. Dann ist es Zeit, Nerja Adiós zu sagen und Kurs Richtung Westen zu nehmen, denn auch jenseits von Málaga locken noch viele Entdeckungen.

Cádiz – Alte Hafenstadt am Atlantik

Ein paar Autostunden westlich – entweder über die Küstenautobahn oder quer durchs andalusische Hinterland – erreicht man die Atlantikküste und mit ihr eine völlig andere Atmosphäre. Cádiz, auf einer Landzunge im Golf von Cádiz gelegen, gilt als eine der ältesten Städte Europas und besitzt eine einzigartige Insellage. Fast rundherum von Wasser umgeben, ist die Altstadt nur über einen schmalen Isthmus mit dem Festland verbunden. Im Frühling und Herbst weht hier häufig eine frische Brise vom Atlantik her, die Salz und Feuchtigkeit mitbringt. Das Licht wirkt weicher, die Farben pastelliger als am gleißenden Mittelmeer. Cádiz empfängt Reisende in der Nebensaison mit rauem Charme und lebendiger Authentizität: Anders als in reinen Ferienorten pulsiert das alltägliche Leben das ganze Jahr über. Morgens feilschen die Gaditanos auf dem zentralen Markt lautstark um den frischesten Fisch, nachmittags sitzen die älteren Herren auf den schattigen Plätzen und spielen Domino.

Berühmt ist Cádiz für sein labyrinthisches Altstadtviertel La Viña, wo sich enge Gassen zwischen bröckeligen Barockfassaden hindurchwinden. Hier findet im Februar der legendäre Karneval statt – ein satirisches Spektakel, das tausende Besucher anzieht. Doch in den ruhigeren Monaten danach hat man die verwinkelten Straßen oft für sich. Eine besondere Atmosphäre herrscht etwa an der kleinen Stadtstrand La Caleta in Herbstabenden: Dann liegen nur ein paar Fischerboote auf dem Sand, die Einheimischen sitzen mit Abstand auf der Ufermauer und schauen der tief stehenden Sonne über dem Atlantik zu. Kulturell hat Cádiz viel zu bieten: von der imposanten Kathedrale mit ihrer goldgelben Kuppel bis zum Museo de Cádiz, das phönizische Sarkophage und Gemälde von Zurbarán zeigt. Auch die moderne Infrastruktur überrascht positiv – die neue Schrägseilbrücke „La Pepa“ verbindet Cádiz seit 2015 schnell mit dem Festland, und Züge sowie Busse verkehren regelmäßig nach Sevilla oder entlang der Küste.

Im Vergleich zur Mittelmeerküste wirkt die Provinz Cádiz noch ursprünglicher. Der Massentourismus hat hier später und in milderer Form Einzug gehalten. So gibt es entlang der Costa de la Luz – wie dieser Abschnitt heißt – „nirgends vergleichbaren Beton-Wahnsinn wie an der Costa del Sol“. Große Hotelburgen sucht man vergebens; stattdessen dominieren flache Dörfer, Pinienhaine und unbebaute Dünenlandschaften. Für Reisende bedeutet das: mehr Weite, aber auch längere Wege bis zur nächsten touristischen Infrastruktur.

Cádiz selbst ist allerdings groß genug, um eine breite Auswahl an Gastronomie und Unterkünften zu bieten – viele Tapas-Bars und Tascas sind hier traditionsreiche Familienbetriebe, die ganzjährig geöffnet haben. Und auch preislich atmet man durch: In der Regel sind Unterkünfte in Cádiz günstiger als in den Hotspots der Costa del Sol, vor allem außerhalb der Sommerferien. Wer also die Mischung aus maritimem Flair, Kultur und echtem andalusischem Alltag schätzt, wird Cádiz in der Nebensaison als echtes Highlight erleben.

Conil de la Frontera – Strandleben und ruhige Gassen

Südlich von Cádiz erstrecken sich kilometerlange Sandstrände wie aus dem Bilderbuch. Einer der charmantesten Orte an diesem Küstenstreifen ist Conil de la Frontera, ein weiß getünchtes Städtchen, das sich vom Atlantikwind umweht auf einer Klippe über dem Meer ausbreitet. Im Sommer ist Conil ein beliebter Badeort (vor allem bei spanischen Urlaubern), doch in Frühjahr und Herbst geht es hier beschaulicher zu. Die langen Strände – allen voran der Stadtstrand Playa de los Bateles – liegen dann oft still da, nur am Horizont sieht man einzelne Spaziergänger oder Reiter die Wasserkante entlangziehen. Im Ort selbst kann man durch die engen Gassen der Altstadt bummeln, vorbei an weiß gekalkten Häusern, kleinen Plätzen und Kirchen. Vieles erinnert daran, dass Conil einst ein Fischerdorf war: Am Hafen und in den Restaurants dreht sich kulinarisch bis heute viel um den Thunfischfang.

Jeden Frühling, etwa im Mai, feiert die Region die Saison des Roten Thuns (Atún rojo) mit gastronomischen Veranstaltungen – die traditionelle Almadraba-Fischerei vor der Küste von Conil, Barbate und Zahara liefert dann fangfrischen Thun, der in zahllosen Variationen zubereitet wird. Für Genießer ist das ein gelungener kultureller Akzent einer Frühjahrsreise.

Außerhalb der Hochsaison zeigt Conil sein ruhiges Gesicht. Es kommt vor, dass ganze Straßenzüge abends in Dunkelheit liegen, wenn die Ferienwohnungen unbewohnt sind. Manche Bars und Strandchiringuitos schließen spätestens im Oktober ihre Pforten. So malerisch die Ruhe ist, kann sie doch auch gespenstisch wirken: Ein Spanienkenner berichtet, dass der historische Ortskern im November „praktisch tot“ war – fast alle Läden geschlossen und kein lokales Leben mehr spürbar. Dieser Aspekt macht nachdenklich, zeigt er doch, wie stark Conil vom Sommertourismus abhängig ist. Für Reisende im späten Herbst empfiehlt es sich daher, vorher zu prüfen, ob die gewünschte Unterkunft und einige Restaurants geöffnet haben.

Im Oktober hingegen findet man meist noch genügend belebte Ecken. Viele Einheimische kehren nach der Hochsaison entspannt in ihre Stammlokale zurück, und an warmen Herbsttagen sind zumindest Wochenendausflügler aus der Umgebung unterwegs, sodass Conil nicht völlig schläft.

Die Vorteile überwiegen für viele Besucher dennoch: Man hat die weiten Strände fast für sich allein und kann die spektakulären Sonnenuntergänge über dem Atlantik in Ruhe genießen. Die Natur rundum zeigt sich erholt – an den Klippen blüht im Frühling der Strandflieder, über den Dünen kreisen Küstenvögel. Von Conil aus lassen sich Ausflüge ins Inland unternehmen, etwa ins nahe Vejer de la Frontera (ein malerisches „Pueblo Blanco“ auf einem Hügel) oder in die Sherry-Stadt Jerez, wo im Herbst die Weinlese gefeiert wird. Auch ohne Mietwagen ist Conil erreichbar: Linienbusse der Gesellschaft Comes verbinden es mit Cádiz und anderen Orten, wenn auch in größeren Zeitabständen.

Wer absolute Ruhe sucht und mit eingeschränktem Angebot kein Problem hat, erlebt Conil de la Frontera in Frühling und Herbst als entschleunigten Küstenort voll andalusischer Postkarten-Idylle – die Kehrseite einer im Sommer quicklebendigen Region.

Tarifa – Am windigen Tor zu Afrika

Am südlichsten Zipfel des europäischen Festlands, wo sich Mittelmeer und Atlantik küssen, liegt Tarifa. Das Städtchen genießt einen legendären Ruf unter Wind- und Kitesurfern: Die Straße von Gibraltar wirkt wie eine natürliche Düse, die die Luftströmungen beschleunigt. Pro Jahr weht hier an etwa 300 Tagen eine steife Brise – entweder der warme Ostwind Levante (aus Richtung Mittelmeer) oder der kühlere Westwind Poniente vom Atlantik. Gerade im Frühjahr und Herbst kann der Levante stürmisch werden: Er bläst mitunter tagelang ununterbrochen und steigert sich bei bestimmten Wetterlagen zu einem echten Sturm, der die gegenüberliegende Küste Afrikas in dichten Dunst hüllt. Für Badeurlauber mag das ein Nachteil sein, doch für Tarifa ist der Wind zum Markenzeichen und Motor einer alternativen Tourismusszene geworden. Dutzende bunte Kites tanzen an windigen Tagen über den Wellen der Playa de Los Lances; Neoprenanzüge und Surfboards gehören zum Stadtbild einfach dazu.

Abseits der Surferszene besitzt Tarifa aber auch einen historischen Kern voller Atmosphäre. Die Altstadt mit ihren weiß getünchten Häusern und engen Gassen ist noch von Resten einer mittelalterlichen Stadtmauer umgeben. Am Hafen wacht die Festung Castillo de Guzmán aus dem 10. Jahrhundert, und an klaren Tagen kann man von der Uferpromenade aus bis zum 14 km entfernten Marokko hinüberblicken. Die Lage zwischen zwei Meeren verleiht Tarifa ein besonderes Licht und ein Gefühl von Freiheit – links erstreckt sich die ruhige Bucht des Mittelmeers, rechts die ungezähmte Brandung des Atlantiks, und direkt gegenüber zeichnen sich die Berge des Rif-Gebirges ab. Im Herbst ziehen zudem Tausende Zugvögel über Tarifa hinweg, die den Weg nach Afrika nehmen; für Vogelbeobachter ist das ein kleines Paradies. Beliebt sind auch Wal- und Delfinbeobachtungen in der Meerenge, die von lokalen Veranstaltern bis in den Oktober angeboten werden.

Obwohl Tarifa in der Hochsaison von jungen Reisenden und Tagesausflüglern belebt ist, bleibt es in der Nebensaison ein verschlafenes andalusisches Küstenstädtchen. Viele Bars und Hostels richten sich auf ganzjähriges Publikum ein – etwa Digitalnomaden oder Surfschüler, die auch im Winter kommen –, sodass selbst im Februar einige internationale Lokale geöffnet haben. Natürlich spürt man den rauen Winter hier deutlicher als an der Costa del Sol: Es kann regnen und auf 12 °C abkühlen. Doch sobald der Wind nachlässt und die Sonne herauskommt, erwärmt sich die Luft schnell wieder.

Reisezeit-Tipp: Im September und Oktober bietet Tarifa oft ideale Bedingungen: Das Meer ist vom Sommer noch aufgeheizt, die größten Touristenströme sind verebbt, und die Herbstwinde sind für geübte Kiter eine spannende Herausforderung, ohne allzu extrem zu sein. Für alle anderen gilt: Eine winddichte Jacke gehört ins Gepäck, dann steht dem Genuss von Tarifas einzigartiger Mischung aus Relax- und Abenteuerspot nichts im Wege.

Tanger – Sprung in eine andere Welt

Von Tarifa aus ist es nur ein Katzensprung nach Afrika. Gerade einmal rund 31 Kilometer Wasserweg trennen Spanien an dieser Stelle von Marokko – die schnellste Fähre benötigt etwa eine Stunde für die Überfahrt nach Tanger. Wer im europäischen Herbst noch einen Hauch orientalischer Wärme und Exotik erleben will, sollte diesen Abstecher ernsthaft erwägen. Tanger (spanisch Tánger, arabisch Tanja) war lange Zeit ein internationaler Schmelztiegel: In den 1950er-Jahren zog die damals halb-autonome „Internationale Zone“ Autoren, Künstler und Abenteurer aus aller Welt an. Heute gehört die Hafenstadt fest zu Marokko, doch ihre Aura aus Legenden und Globalität ist spürbar geblieben. Schon bei der Ankunft im Hafen von Tanger-Ville taucht man in eine völlig andere Atmosphäre ein: Muezzin-Rufe hallen von Minaretten, das Stimmengewirr auf den Straßen wechselt ins Arabische und Französische, und die Luft duftet nach Gewürzen und Minztee.

Die Altstadt von Tanger, die Medina, erstreckt sich oberhalb des Hafens als Labyrinth aus Gassen, Märkten und pastellfarbenen Häusern. Hier scheint die Zeit stehengeblieben – Esel tragen Waren durch steile Gassen, Handwerker hämmern und feilschen in winzigen Läden, und in den Hinterhöfen plätschern maurische Springbrunnen. Ein Spaziergang durch diese Szenerie ist für europäische Besucher ein Sinneserlebnis: Überall gibt es etwas zu entdecken, sei es die imposante Stadtmauer, die Kasbah-Festung oder einfach das Alltagsleben der Tangeriner.

Nicht beschönigen sollte man allerdings, dass Tanger gerade bei Kurzbesuchen auch anstrengend sein kann: Händler und selbsternannte Stadtführer sind um Touristen bemüht, die Dynamik ist hektischer und chaotischer als an der gemächlichen andalusischen Küste. Mit etwas Gelassenheit und Höflichkeit lässt sich das aber handhaben.

Die klimatischen Bedingungen in Marokko ähneln in Tanger durchaus denen Andalusiens – im Oktober kann es tagsüber 25 °C erreichen, im März blühen bereits die ersten Bougainvilleen an den weißen Kolonialvillen des ehemaligen Diplomatenviertels. Die Stadt hat sich modernisiert: Entlang der neuen Corniche flanieren marokkanische Familien, und hippe Cafés servieren Cappuccino mit Meerblick.

Doch das authentische Flair findet man weiterhin in den verwinkelten Quartieren abseits der Boulevards. Viele Reisende empfinden Tanger als faszinierenden Kontrast: Am Vormittag noch in Tarifa gefrühstückt, am Nachmittag schon in einer marokkanischen Teestube in der Altstadt – diese Nähe der Kulturen macht den Reiz eines Andalusien-Trips mit Abstecher nach Afrika aus.

Wichtig ist, genügend Zeit für Grenzformalitäten einzuplanen (Pass nicht vergessen!) und die letzte Fähre zurück nicht zu verpassen. Einige Besucher entscheiden sich, wenigstens eine Nacht in Tanger zu bleiben, um die Eindrücke sacken zu lassen. Ob Tagestrip oder Übernachtung – der kurze Sprung über die Meerenge erweitert die Andalusienreise um eine völlig neue Perspektive.

Authentisch reisen in der Nebensaison

Eine Reise von Málaga bis Tanger im Frühling oder Herbst vereint das Beste aus verschiedenen Welten. Man erlebt die glanzvolle Kultur und Infrastruktur einer andalusischen Großstadt, die entspannten Küstenorte mit lokaler Prägung, die Weite des Atlantiks und schließlich den Kulturausflug nach Marokko – alles ohne die drückende Last der Hauptsaison. Die Reisezeit außerhalb der Sommermonate beschert mildes Wetter, viel Bewegungsfreiheit und oft überraschend günstige Preise. Natürlich erfordert sie auch Kompromisse: Manche Sehenswürdigkeit schließt früher, mancher Strandkorb bleibt eingemottet, und ein verregneter Tag kann den Zeitplan durcheinanderbringen.

Doch gerade das Fehlen von Inszenierung und Trubel lässt die Atmosphäre und Substanz der Orte deutlicher hervortreten. Wer Wert auf authentische Eindrücke legt, wird in den stilleren Monaten belohnt – sei es beim abendlichen Stadtbummel durch Málagas Gassen, beim Gespräch mit einem Fischhändler in Cádiz oder beim einsamen Blick von Tarifa über das Meer.

So zeigt sich Andalusiens Küste in Frühling und Herbst als vielseitige Erlebnisregion, die jenseits von Sonnenbad und Partyrummel steht. Die angenehme Ruhe offenbart die Feinheiten: das Spiel der Wolken über den Bergen von Nerja, das Knarren der hölzernen Fensterläden im Wind von Conil, die Lieder der Flamenco-Sänger aus einer unscheinbaren Bodega in Cádiz. Mit jedem zurückgelegten Kilometer entlang der Küstenstraße lernt man eine neue Facette kennen – und versteht, warum diese Route einst schon Phönizier und Römer faszinierte. Atmosphäre, Authentizität und kulturelle Substanz lassen sich hier in aller Ruhe genießen.

Und am Ende der Reise, wenn die Lichter von Tanger am afrikanischen Horizont aufglimmen, weiß man: Der Reiz Andalusiens besteht nicht in Superlativen, sondern im steten Wechselspiel von Land und Leuten, Geschichte und Gegenwart – am eindrucksvollsten zu erfahren in den milden Tagen von Frühling und Herbst.

Hartmut Ihnenfeldt (c) 2025

Schreibe einen Kommentar