Ein Hauch von Orient – und eine lange Geschichte
Die Faszination für orientalische Gewürze beginnt nicht erst in der modernen Fusion-Küche. Schon in der Antike waren Gewürze wie Zimt, Muskat und Pfeffer hochgeschätzte Luxusgüter, die über lange Karawanenwege oder Seehandelsrouten aus dem Orient nach Europa gelangten. Sie galten als Statussymbole, Heilmittel und Aromaspender zugleich.
Insbesondere der Kreuzkümmel (Cumin) – heute untrennbar mit arabischen, indischen und nordafrikanischen Küchen verbunden – wurde bereits in altägyptischen Gräbern gefunden. Auch Koriander, Safran und Kurkuma blicken auf eine Jahrtausende alte Verwendung zurück. Der Orient, als Raum zwischen Mittelmeer, Persischem Golf und Südasien, war gewissermaßen das Duftlabor der Welt.
Warum sie heute so beliebt sind
Unsere Vorliebe für orientalische Gewürze ist heute weniger dem Prestigedenken geschuldet als vielmehr einem bewussteren Umgang mit Geschmack, Gesundheit und Weltküche. Die wichtigsten Gründe für die neue Beliebtheit sind:
- Aromatische Tiefe: Viele orientalische Gewürze bringen komplexe, oft erdige, warme oder leicht bittere Aromen mit – eine willkommene Abwechslung zur klassischen mitteleuropäischen Küche.
- Vielfalt und Kreativität: Ob Harissa, Ras el-Hanout oder Baharat – Gewürzmischungen aus dem Orient laden zum Experimentieren ein.
- Gesundheitsaspekt: Kurkuma gilt als entzündungshemmend, Zimt als blutzuckersenkend, Ingwer als verdauungsfördernd. Die Verbindung von Geschmack und Wirkung passt in die Zeit.
- Kulturelle Neugier: Die Globalisierung hat das Interesse an anderen Esskulturen gesteigert – nicht nur in Restaurants, sondern auch in privaten Küchen.
Typische orientalische Gewürze im Überblick
Gewürz | Herkunft / Tradition | Geschmack / Verwendung |
---|---|---|
Kreuzkümmel | Mittlerer Osten, Nordafrika, Indien | Warm, leicht bitter, für Currys, Couscous, Chili |
Koriandersamen | Naher Osten, Mittelmeerraum | Zitronig-nussig, für Tajine, Chutneys, Brot |
Zimt (Cassia) | Südostasien, Persien | Süß-würzig, für Fleischgerichte und Süßspeisen |
Kardamom | Indien, Iran, Arabien | Süßlich-scharf, für Kaffee, Gebäck, Currys |
Kurkuma | Südostasien, Indien | Mild bitter, für Currys, Reis, Suppen |
Sumach | Türkei, Iran | Fruchtig-säuerlich, für Salate, Marinaden |
Safran | Iran, Kaschmir, Marokko | Fein-herb, für Reisgerichte, Fisch, Süßspeisen |
Zwischen Gewürzhandel und Kolonialgeschichte
Die europäische Gewürzleidenschaft hatte auch dunkle Seiten. Portugiesen, Niederländer und Briten führten über Jahrhunderte Krieg um die Kontrolle der Gewürzinseln (z. B. die Molukken). Der „Orient“ war dabei kein geografisch klarer Raum, sondern ein eurozentrisches Konstrukt voller Exotik, Verklärung – und wirtschaftlichem Interesse.
Heute sind viele dieser Gewürze frei verfügbar und stammen aus nachhaltigerem Anbau. Dennoch lohnt ein kritischer Blick auf die Lieferketten, insbesondere bei teuren Gewürzen wie Vanille oder Safran.
Die neue Welt der Gewürzmischungen
In Zeiten von Foodblogs, Gewürz-Abos und offenen Küchenregalen erlebt der „Orient“ eine kulinarische Renaissance – allerdings unter veränderten Vorzeichen. Es geht nicht mehr nur um das Exotische, sondern um Qualität, Authentizität und Handwerk.
Besonders beliebt sind heute handverlesene Mischungen wie:
- Ras el-Hanout (Marokko): „Chef des Ladens“, mit über 20 Zutaten.
- Za’atar (Levantische Küche): Thymian, Sesam, Sumach – ideal zu Fladenbrot.
- Dukkah (Ägypten): Nussig-würzig mit Sesam und Kreuzkümmel, perfekt zum Dippen.
Eine Würze für den Kopf
Orientalische Gewürze stehen nicht nur für Geschmack, sondern für kulturelle Offenheit, historische Tiefenschichten und die Lust am Anderssein. Wer mit Kreuzkümmel kocht, betritt eine jahrtausendealte Welt, die bis heute nichts von ihrer Faszination verloren hat.