Ernüchterung trotz Saisonbeginn
Eigentlich ist der Mai an der Küste ein starker Monat: Himmelfahrt, Pfingsten, die ersten warmen Wochenenden. Doch statt voller Gastgärten und ausgebuchter Frühstückspensionen melden viele Gastgeber aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern rückläufige Gästezahlen, geringeren Konsum und deutlich geringere Durchschnittsumsätze pro Kopf. In Orten wie Pelzerhaken, Hohwacht oder Boltenhagen zeigen sich die Auswirkungen in Form reduzierter Öffnungszeiten, eingeschränkter Speisekarten oder spontan geschlossener Tage.
Pelzerhaken: Strandgastronomie mit Lücken im Takt
Am Südstrand von Pelzerhaken bleiben in der Mittagszeit ungewöhnlich viele Plätze leer. Einige Lokale, die früher durchgehend geöffnet hatten, schließen jetzt montags oder verzichten ganz auf das Frühstück. Ein Café am Deich hat das Abendgeschäft aus Personalmangel ganz eingestellt. Die Betreiberin berichtet, dass sich viele Teilzeitkräfte zurückgezogen hätten – der Betrieb rechne sich unter der aktuellen Kostenstruktur nicht mehr.
Grömitz und Dahme: Zurückhaltender Konsum trotz Besucherzahlen
Auch im belebten Grömitz ist nicht alles so stabil, wie es scheint. Zwar bleibt der Ort stark frequentiert, doch die durchschnittlichen Ausgaben pro Besucher gehen zurück. „Die Leute kommen, aber bestellen sparsamer“, heißt es in einem Restaurant in Hafennähe. Ein Fischimbiss in Dahme beklagt, dass sich einst beliebte Gerichte wie der Dorsch mit Bratkartoffeln zum „Luxusartikel“ entwickelten – die Einkaufspreise steigen schneller als das, was sich am Tresen noch verlangen lässt.
Kappeln und Maasholm: Lokale Identität unter Druck
Im nördlichen Schleswig-Holstein – etwa in der Schlei-Region – ist der Wandel subtil, aber nicht weniger spürbar. In Maasholm hat ein Traditionsgasthof die warme Küche auf drei Tage pro Woche reduziert. In Arnis, Deutschlands kleinster Stadt, bleibt das einzige Café an mehreren Tagen geschlossen – aus Personalmangel. Auch in Kappeln verändert sich das Bild: Früher gab es rund um den Hafen mehrere kleine Frühstücksangebote. Heute findet man außerhalb der Wochenenden kaum noch geöffnete Betriebe am Vormittag.
Scharbeutz und Timmendorfer Strand: Hochglanz mit Rissen
In Scharbeutz und Timmendorfer Strand, wo sich elegante Promenaden, Designhotels und trendige Gastronomie zu einem anspruchsvollen Gesamterlebnis verbinden, scheint die Lage auf den ersten Blick stabil. Doch auch hier berichten Betreiber von sinkendem Umsatz pro Tisch – bei gleichzeitig gestiegenen Kosten. In der Nähe des Seebrückenvorplatzes bleiben manche Plätze in der Nebensaison leer, obwohl das Wetter stimmt. Ein Szenelokal in Timmendorfer Strand hat das Mittagsangebot reduziert, „weil die Personalsituation keine durchgehenden Schichten mehr erlaubt“. Gäste bemerken die veränderte Stimmung: Weniger Servicekräfte, gestresste Küchen, spontane Schließtage – auch in Lagen, wo die Zimmerpreise längst wieder die 300-Euro-Marke überschreiten. Ein Betreiber spricht von einem „Erwartungsdruck der Gäste, den wir bei dieser Kostenstruktur nicht mehr bedienen können“.
Travemünde: Kurort unter Belastung
In Travemünde, lange Zeit die Grande Dame der Lübecker Bucht, zeigt sich der Wandel besonders deutlich an der Travepromenade. Die Zahl der gastronomischen Vollbetriebe hat sich in den letzten Jahren spürbar reduziert, während sich Bäckerei-Cafés, Imbissketten und Bistros mit Selbstbedienung ausbreiten. Die Preise in den noch verbliebenen Traditionshäusern haben stark angezogen – nicht aus Profitgier, sondern vermeintlich aus Notwendigkeit. Ein älterer Hotelier berichtet, dass er nach 40 Jahren erstmals über eine Aufgabe nachdenke: „Nicht wegen zu wenig Gästen, sondern weil ich kein Personal mehr finde.“ Der Rückzug des Mittelstands trifft Travemünde hart – und verändert das Gesicht des einst mondänen Kurorts leise, aber spürbar.
Ferienwohnungen verdrängen Frühstückspensionen
Ein zusätzlicher Faktor ist der Strukturwandel bei der Übernachtung. Immer mehr Urlauber buchen Ferienwohnungen mit Küchenzeile – und verzichten damit auf klassische Frühstückspensionen oder Halbpension. Das verändert nicht nur das Konsumverhalten, sondern schwächt gezielt das kleinteilige Beherbergungs- und Gastronomienetz. Die Betreiber kleinerer Hotels im Binnenland oder abseits der Promenade spüren diese Entwicklung deutlich: Weniger Buchungen, geringere Margen, mehr Leerstand unter der Woche.
Zwischen Dehoga-Hoffnung und Realitätsfrust
Der Branchenverband Dehoga fordert seit langem eine Entlastung – etwa durch die Rückkehr zum reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Speisen. Doch selbst wenn diese Maßnahme 2026 umgesetzt wird, dürfte sie für viele Betriebe zu spät kommen. Die Belastung durch steigende Löhne, teure Energie und zurückhaltende Kundschaft bleibt hoch. Einige Familienbetriebe berichten hinter vorgehaltener Hand von Verkaufsplänen oder einer vorzeitigen Geschäftsaufgabe.
Was Gäste konkret erleben – und verlieren
Der Tourist als Endkunde merkt die Entwicklung an der Oberfläche: Wartezeiten nehmen zu, Küchen schließen früher, das Personal wirkt gestresster, die Preise steigen überproportional. Die gewohnte norddeutsche Gastlichkeit – von der Familienpension bis zum Fischlokal mit Sonnenuntergang – beginnt sich zu verändern. Nicht abrupt, aber spürbar. Wer aufmerksam durch die Orte reist, sieht geschlossene Fensterläden, Putzpläne im Schaufenster oder handschriftliche Hinweise: „Heute nur Kuchen – warme Küche wieder ab Freitag.“
Der schleichende Verlust an touristischer Qualität
In der Summe bedeutet das: Die einst dichte, verlässliche Infrastruktur der Urlaubsgastronomie – das Herzstück vieler Reiseerlebnisse – ist im Wandel. Nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus strukturellem Zwang. Der Einbruch im Mai 2025 ist dabei nur ein Symptom. Die eigentliche Gefahr liegt im schleichenden Verlust von Qualität, Vielfalt und persönlichem Kontakt – genau jenen Elementen, die den Reiz deutscher Urlaubsorte wie der Ostseeküste lange ausmachten.

Freunde von uns die aktuell an Nord und Ostsee Urlaub machen, berichten uns von leeren Lokalen bei den man vor Jahren noch vorbestellen musste.
Kein Wunder für mich bei der aktuellen Abzocke durch die Wirte. Mit 4köpfiger Familie ist Essen gehen mittlerweile Tabu. Da wird man zum Selbstversorger oder geht in den Imbiss.
Vielleicht kommt es ja zur Rückbesinnung. Sonst machen weitere Läden zu. Mir dann auch egal.