Skandinavische „Schimpfwörter“ für deutsche Touristen
Dänemark: Vom „Tysker“ zur „All-Inclusive-Bøvser“
Wer als Deutscher im dänischen Küstenort Blåvand sein Auto mit Kieler Kennzeichen parkt, hat meist keine zwei Minuten Zeit bis zum ersten Augenzwinkern mit dem Begriff „Tysker“. Das Wort ist neutral – bis es in Sätzen wie „Så er tyskerne kommet igen – hele Netto er tømt for dåsebajere“ („Die Deutschen sind wieder da – ganz Netto leergekauft beim Dosenbier“) fällt.
In besonders beliebten Urlaubsregionen spricht man auch gerne von der „Tyskerplage“, wenn ganze Wohnsiedlungen in Ferienparks verwandelt werden. Und wer barfuß oder im Badeoutfit beim Bäcker auftaucht, riskiert ein hinterhergemurmeltes „Badegæst“ – ein eigentlich harmloser Begriff, der spätestens in Innenräumen eine gewisse Verachtung transportiert.
Noch deutlicher wird’s bei „Campingklovn“ („Campingclown“) oder „All-Inclusive-bøvser“ („All-Inclusive-Rülpser“). Gemeint sind die Urlauber, die mit dem Wohnmobil halb quer über den Deich stehen oder am Strand den ganzen Tag in Adiletten grillen – mit Dauerbierflasche in der Hand.
Norwegen: Turistpakk auf Wanderschaft
In Norwegen ist man der Natur verpflichtet – und entsprechend empfindlich, wenn Touristen den Eindruck erwecken, sie sei nur Fototapete. Wer auf der Panoramastraße plötzlich anhält, um Fjord-Schafe zu fotografieren, wird gern als „Fotostopp-idiot“ tituliert. Und wer nachts im Mietwagen campt und dabei das Alarmsystem auslöst, darf sich auf Reddit-Kommentare wie „Turistpakka forstår ikke skiltet ‘Ingen camping’“ freuen – die „Touristenpackung“ hat das Campingverbotsschild offensichtlich übersehen.
Der Ton kann grob werden, etwa bei „Dritturist“, einer norwegischen Universalbeleidigung für alles, was zu laut, zu unachtsam oder zu sehr nach Massentourismus aussieht. Und wenn ein Wohnmobil die Fjordstraße blockiert, ist der Fluch „kjører som en tyskjævel“ (fährt wie ein „deutscher Bastard“) zwar drastisch – aber keineswegs selten.
Schweden: Zwischen „Tyskjävel“ und „Griseturist“
Auch die sonst so zurückhaltenden Schweden können scharfzüngig werden, wenn es um ungebetene Gäste geht. Besonders in sensiblen Ferienregionen wie Gotland oder Bohuslän hört man zunehmend das Wort „Tyskjävel“, ein historisch belastetes Schimpfwort, das spätestens dann fällt, wenn jemand Grundstücke aufkauft, Ferienwohnungen in Massen bucht – oder sich öffentlich über Systembolaget-Öffnungszeiten beschwert.
„Griseturist“ („Schweinetourist“) ist der bevorzugte Ausdruck für betrunkene Besuchergruppen – sei es aus England, Dänemark oder Deutschland –, die am Midsommarafton grölen und pinkeln, wo sie nicht sollen. Noch feiner zielt der Begriff „Campingidiot“ – in etwa: „der mit dem Grauwasser im Naturschutzgebiet“ – oder „Bröllopsturist“, wenn Insta-Touristen für Hochzeitsbilder Schlösser als Kulisse missbrauchen, aber keinen Eintritt zahlen.
Und wenn Norweger am Freitagabend die Grenzen überqueren, um in Schweden Alkohol zu kaufen, nennt man sie liebevoll-giftig „Systembolaget-turister“ – eine Art skandinavischer Tanktourismus mit Spirituosenfokus.
Sprache als Stimmungsbarometer
All diese Begriffe zeigen, wie wichtig Sprache für die Alltagswahrnehmung des Tourismus ist. Meist sind sie nicht Ausdruck von Feindseligkeit, sondern Ventil für überlastete Infrastruktur, steigende Immobilienpreise und kulturelle Missverständnisse. Sie richten sich nicht gegen Nationalitäten, sondern gegen bestimmte Verhaltensweisen – Lautstärke, Rücksichtslosigkeit, Unwissenheit. Und manchmal eben auch gegen die Tatsache, dass ein Café in Visby im August keine Einheimischen mehr kennt.
Vorschlag
Wer weiß, was ein Tysker ist, erkennt auch, wann es nicht mehr freundlich gemeint ist. Wer als Campingklovn tituliert wird, kann das in aller Ruhe ignorieren – oder den Stellplatz vielleicht doch noch mal prüfen. Wer Turistpakk liest, weiß, dass es Zeit ist, den Müll wieder einzupacken. Und wer sich sprachlich vorbereitet, versteht mehr – nicht nur in der Landessprache, sondern auch vom Land selbst.
Denn wer die Sprache der Kritik versteht, versteht auch die Sprache der Gastfreundschaft. Und die gibt es in Skandinavien reichlich – solange man den Fjord nicht als Freizeitpark behandelt.