Extremurlaub oder Abenteuerurlaub – Trends und Ursachen

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Schneller, höher, weiter – das heißt es längst nicht nur im Sport, sondern ist eine allgemeine Lebens-Maxime und gilt insbesondere auch für den Urlaub: Immer mehr suchen auf Reisen nicht nur Ruhe und herkömmliche Entspannung, sondern eine extreme Abwechslung vom Alltag. Das reicht vom Haie-Tauchen, über das Bungee-Jumpen in einen Vulkan bis hin zur Reise in das Weltall und findet seinen traurigen Höhepunkt im schweizerischen Sterbetourismus.

 

Bungee-Jumping gehört schon zu den etablierten Formen der extremen Freizeitgestaltung - copyright wikipedia.org/Gerhard Grabner

Die Vorliebe für den extremen Urlaub nennt sich laut dem Berliner Reiseforscher Hasso Spode „Narko-Kapitalismus“ – „Narko“ stammt von Narkose und steht für das Sehnen nach einem bestimmten Kick und im Reisebusiness eben für einen Adrenalinschub im Urlaub. Wer nun meint, dass es sich dabei um einen neuen Trend handelt, liegt falsch: Das Spiel mit den menschlichen Urängsten auf Reisen hatte bereits Thomas Cook um 1900, als der moderne Tourismus erst knappe 50 Jahre alt war, mit seinen Einbaumfahrten auf dem Amazonas im Angebot.
Heute hat man beim Buchen eines Abenteuerurlaubs die Qual der Wahl: Extremsport, wie Höhlentauchen in Mexiko, Tauchen mit Haien auf den Azoren oder Bungee-Jumping in einen aktiven Vulkan – das ist wahrlich Urlaub mit Restrisiko. Etabliert hat sich auch der Katastrophen-Tourismus, das populärste Beispiel dafür sind Reisen nach Tschernobyl, die Stadt Prypjat wurde 2011 für Touristen freigegeben und seitdem setzen sich immer mehr Reisende dort der nach wie vor messbaren Radioaktivität aus.

Selbst das Weltall ist vor Extrem-Urlaubern nicht mehr sicher: Der Traum von der Reise dorthin kann für betuchte Urlauber demnächst um 200.000 US-Dollar Realität werden. Auch deutsche Rentner verreisen gerne anders: Im Rahmen des Friedhoftourismus werden Krematorien in den Niederlanden besucht – Kaffee und Kuchen inklusive.  Längst etabliert hat sich überdies das „Slumming“ – dabei werden, teilweise mit caritativem Hintergrund, städtische Armutsgebiete besucht, wie beispielsweise eine Müllkippe in Mexiko mit vorangehender Bus-Tour durch diverse Armenviertel: Zudem wird eine zuvor gemeinsam zubereitete Jause den Müll-Arbeitern ausgeteilt.

Manche Menschen erholen sich traurigerweise aber am besten beim Töten: Jagdhungrige Urlauber reisen z.B. in die südafrikanische Steppe, um dort Elefanten, Paviane oder Giraffen zu erlegen, die Übernachtung erfolgt in komfortablen Lodges – zu Hause präsentiert man die Trophäen an der Wohnzimmerwand.

Eine weitere bizarre Form des Extremurlaubs ist der Piraten-Tourismus: Fast alle Kreuzfahrt- und Handelsschiffe vermeiden die somalische Küste – reiche, russische Urlauber zieht es genau dorthin. Pro Trip wird ein Piratenüberfall garantiert, die Teilnehmer können sich mit Granatwerfern und Maschinenpistolen zur Wehr setzen, Unterstützung bieten ehemalige Mitarbeiter russischer Sondereinsatzkommandos.

Eine andere makabre Form, die ebenso zum Segment zählt, ist der Sterbe-Tourismus: Sterbende begeben sich dabei wortwörtlich auf die letzte Reise ihres Lebens, und zwar in die Schweiz, wo im Kanton Zürich Sterbehilfe erlaubt ist – bislang ist es der Regierung nicht gelungen, diesen Trend zu verhindern.

Noch ist Extremurlaub eine Nische, was darin begründet liegt, dass diese Art des Verreisens meist sehr teuer ist. Laut Umfragen der Hamburger Stiftung für Zukunftsforschung machen bislang etwa 10 Prozent der Bevölkerung Extrem-Urlaub – 20 x so viele junge Erwachsene wie Rentner über 65, doppelt so viele Männer wie Frauen. Die vermuteten Motive: Langeweile bei den Älteren, die spätpubertäre Suche nach der Identität bei den Jüngeren.

Im Urlaub geht es generell um Erholung und Kontrast zum Alltag – mit dem Wandel der Gesellschaft treten dabei allerdings Extreme in Kraft: Die meisten identifizieren sich heute tendenziell eher über ihre Freizeit als ihre Arbeit oder den Alltag – und nützen daher den Urlaub auch bei der Selbstdarstellung, im Extremurlaub leider mit einem gewissen Restrisiko, das nach extremer Aktivität trotz Übernachtung im 4-Sterne-Hotel bestehen bleibt.