Die schwarz-gelbe Regierung hat zwar schnell auf die nukleare Katastrophe in Japan reagiert, um die Bundesrepublik vor einem GAU zu schützen – doch hinter der Grenze lauern weitere Gefahren: Es gibt einige Risikoreaktoren, die große Teile Deutschlands verstrahlen können. Nahe den deutschen Grenzen befinden sich nämlich viele AKW – einige davon sind bereits seit Jahren oder noch länger am Netz; und auch weiterhin stellen die Nachbarländer die Stromversorgung durch Atomenergie sicher: Keiner der Staaten denkt über einen eventuellen Ausstieg, wie er aktuell in der Bundesrepublik im Gespräch ist, nach – wenigstens wollen die Niederlande, Belgien, Frankreich, die Schweiz und Tschechien ihre AKW einer Sicherheitskontrolle unterziehen, einen konkreten Termin gibt es jedoch noch nicht.
Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien hat bereits eine Vielzahl von Meldungen über Störfällen aus den grenznahen AKW vorliegen – dabei handelt es sich um Fälle, die nach den Kriterien von INES (Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse) der Stufe 1 oder 2 (0 = unbedenklich, 7 = besonders schwerer Fall) zugeordnet wurden. Der Atomunfall in Fukushima wurde übrigens mit der Stufe 5 eingestuft.
Nachbarland | AKW-Standort | Reaktortyp | Störungen |
Niederlande | Borssele | Druckwasserreaktor | Bisher keine |
Belgien | Doel
Tihange
Chooz | Druckwasserreaktor
Druckwasserreaktor
Druckwasserreaktor | März 2011: Schaden an der Wasserpumpe – INES-Stufe 2 2002: rapider Druckabfall – INES-Stufe 2 Mehrere Vorfälle innerhalb der letzten 5 Jahre – INES-Stufe 1 |
Frankreich | Cattenom
Fessenheim | Druckwasserreaktor
Druckwasserreaktor | 2001: Kontaminiertes Primärkühlwasser tritt aus – INES-Stufe 1 2009/10: weitere meldepflichtige Vorfälle 2004: Verstopfung der Wasserfilter – INES-Stufe 1 2009: Probleme im Kühlkreislauf, Abschaltung eines Reaktors 2010: Leck setzt 50 Kubikmeter radioaktive Gase frei |
Schweiz | Beznau I
Leibstadt
Gösgen
Mühleberg | Druckwasserreaktor
Siedewasserreaktor
Druckwasserreaktor
Siedewasserreaktor | 2007: Hochwasser gefährdet die Notstromversorgung 2008: 50 Liter Öl laufen aus, eine Turbinengeneratorgruppe wird abgeschaltet 2009: Erhöhte Strahlendosis bei Revisionsarbeiten – INES-Stufe 2 2005: Abschaltung wegen Schaden am Transformator 2007: Reaktorschnell-abschaltung – INES-Stufe 1 2010: Verstrahlung eines Mitarbeiters durch einen Störfall der INES-Stufe 2 2008: Schäden am Hüllrohr eines Brennstabes Seit 1995: Risse am Kraftwerk gilt nicht als erdbebensicher |
Tschechien | Temelin | Druckwasserreaktor | immer wieder Zwischenfälle 2007: Austreten radioaktiver Flüssigkeit 2010: Wasser entwich durch undichte Pumpe, konnte jedoch aufgefangen werden |
In der gesamten EU sind übrigens mehr als 90 AKW am Netz, allerdings bestehen keine einheitlichen Sicherheitsstandards. EU-weit sind mehr als 90 Atomkraftwerke am Netz. Nicht nur Deutschlands direkte Nachbarn bevorzugen weiterhin die Stromversorgung mit Kernenergie – auch die Slowakei, Bulgarien, Rumänien, Polen, Slowenien oder Ungarn setzen auf Atomstrom: Besonders risikogefährdet ist dabei das AKW Krsko in Slowenien – die Anlage steht nämlich auf einem Erdbebengebiet.
Passiert ein atomarer GAU, hängt es lediglich von der Windrichtung ab, welche Regionen in Deutschland die Auswirkungen zu spüren bekommen – betroffen ist die Bundesrepublik auf jeden Fall: Dabei kann auch ein Störfall in Belgien oder Frankreich zum Beispiel weitreichendere Folgen auf das Ruhrgebiet haben als zum Beispiel ein Zwischenfall in den deutschen AKW Philippsburg, Neckarwestheim oder Biblis; schließlich ist das belgische Kernkraftwerk Tihange beispielsweise lediglich eine halbe Autostunde von Aachen entfernt.