Klassiker
Hlavní nádraží/Hauptbahnhof
Der Aufenthalt in Prag beginnt und endet oft genau hier: am Hauptbahnhof oder „hlavák“, wie ihn die Prager nennen. Stets gibt es hier ein reges Treiben. Vor den Anzeigetafeln drängen sich die Menschen und warten darauf, dass sie endlich erfahren, auf welchem Gleis ihr Zug einfährt, was nicht selten erst drei, vier Minuten vor der Abfahrt geschieht. Immer, ja wirklich permanent, ertönen Durchsagen. Die Tschechen nehmen es damit sehr genau: Welcher Zug, woher, wohin, Beiname, von welcher Eisenbahngesellschaft betrieben, wann, welches Gleis, wie viel Minuten Verspätung. Das Schöne daran: Jede Durchsage wird mit einigen Tönen aus Bedřich Smetanas Werk „Má vlast“ (Mein Vaterland) angekündigt.
Nach 1938 setzte sich der Brite Sir Nicholas Winton für die Rettung von mehreren hundert, vor allem jüdischer tschechischer Kindern ein: Er organisierte Zugtransporte nach London vom Prager Hauptbahnhof aus und rettete sie so vor dem Tod in Konzentrationslagern. An Wintons Taten erinnern heute zwei Statuen auf dem Hauptbahnhof, eine davon befindet sich auf Gleis 1.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Bahnhof umgebaut und es entstand die grandiose, im Jugendstil von Josef Fanta entworfene Empfangshalle. Man findet sie heute, wenn man mit den Rolltreppen bis ganz nach oben fährt oder im mittleren Gang nach einigen Metern nach oben schaut. Stuck, Gold und Wappen verschmelzen mit einem funktionalen, künstlich beleuchteten Gang; Geschichte verschmilzt mit Gegenwart. In der Haupthalle des Bahnhofs findet sich ein Exemplar der Aktion „Pianos on the street“. Ein Prager Cafébesitzer startete 2013 damit, Klaviere in der Stadt aufzustellen. Es wurden mehr und mehr und der Gedanke breitete sich auch auf andere Städte in Tschechien aus. So hört man nicht selten angenehmes Klaviergeklimper beim Rennen zum Zug.
Will der Reisende sein Gepäck loswerden, nutzt er eines der Schließfächer – steht man vor der großen Anzeigetafel, befinden sie sich unten links. Eine Alternative für weniger Geld, aber mit viel mehr Kult gibt es bei den freundlichen Mitarbeitern der Gepäckaufbewahrung im rechten Gang.
Unten rechts dehnt sich der „BILLA“ aus. Die österreichische Supermarktkette, die in Tschechien stark vertreten ist, hat selbstverständlich auch eine Filiale im Hauptbahnhof, die immer gut besucht ist und in der man vor der Heimfahrt noch ein paar authentische Souvenirs kaufen kann: Oblaten, Bier, Fertigknödelpulver. Weniger authentische und weniger tschechische, aber ebenso nette Mitbringsel gibt es auch im „Flying Tiger“. Aber beim Herumstöbern in all dem Krimskrams nicht die Abfahrtszeit des Zuges aus den Augen verlieren!
Karlův most/Karlsbrücke
Die Karlsbrücke ist wohl das am meisten gefeierte Bauwerk der ganzen Tschechischen Republik. Karl IV., der Mann, der Prag groß gemacht hat, ließ sie 1357 als erste Brücke über die Moldau in Prag errichten. Die dekorativen Figuren kamen erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hinzu. Die Brücke ist nicht nur aus Steinen gebaut, sondern auch aus Milch und Eiern und deshalb bis heute so stabil. Bis zum 2. Weltkrieg fuhren hier noch Autos, nun schieben sich nur noch die Touristenströme hin und her. Es ist viel los, auch musikalisch: am Kleinseitner Ende, über dem oben die Burg thront, spielt oft eine Frau Leierkasten, dann ist da noch die Bridge Band, die hervorragenden Jazz fabriziert, und das tatsächlich nur auf der Karlsbrücke. Und dieser großartige, schon etwas ältere Herr, mit den längeren grauen Haaren, der wahlweise als Ein-Mann- Band auftritt oder mit unterschiedlich gefüllten Sektgläsern Klänge erzeugt, die von ganz weit herzukommen scheinen. Zwischen all dem bieten Straßenmaler genervt ihre Werke an, Karikaturisten zeichnen Touristen und billiger Schmuck wird an den Mann oder die Frau gebracht. Ein spannender, wenn auch sehr touristischer Ort. Es ist zu empfehlen, sich für einige Minuten an die Brüstung zu lehnen und dem Treiben zuzuschauen.
Überschreitet man die Mitte der Brücke, von der Altstadt kommend, erblickt man rechter Hand den Sockel einer Statue, an dem zwei Figuren ganz abgegriffen sind. Berührt man das Relief der Frau, erhält man angeblich ganz viel Glück zum Mitnehmen. Die Statue ist dem Märtyrer Jan Nepomuk gewidmet. Einst wollte König Wenzel vom Priester Nepomuk erfahren, ob seine Frau ihm tatsächlich treu wäre. Nepomuk jedoch sprach kein Wort und brach sein Beichtgeheimnis nicht. Wenzel ließ Nepomuk daraufhin foltern und von der Karlsbrücke werfen. An der Stelle, an der Jan Nepomuk ins Wasser gestürzt wurde, findet sich heute ein metallenes Kreuz in der Brüstung.
Es hält sich auch noch eine andere Legende um die Karlsbrücke: Es wird erzählt, dass man sie ganz für sich allein haben kann, wenn man nur pünktlich zum Sonnenaufgang da ist. Was für ein Traum das doch wäre! Dieses Bauwerk, ohne all die vielen Menschen, ohne all den Lärm… Probiert es doch einfach mal aus!
Prager Gesichter: Karl IV. 1316–1378
Karl IV. war eigentlich weder Prager noch Tscheche und doch gilt er heute als „Vater des Landes“. In einer Umfrage vom tschechischen Staatsfernsehen 2005 wurde er zum „Größten Tschechen“ gekürt. Karl IV. wird 1316 im Geschlecht der Luxemburger geboren. Später wird er König von Böhmen und römisch-deutscher Kaiser. Er verlegt den Wohn- und Regierungssitz nach Prag und macht so daraus die „Goldene Stadt“. Wirtschaft und Kirche werden gestärkt, Künste und Wissenschaften blühen auf. Karls Einfluss ist bis heute in Prag zu spüren: Da ist zum Beispiel der Karlovo náměstí/Karlsplatz, der damals vermutlich größte Marktplatz Europas und natürlich die Univerzita Karlova/Karls-Universität. 1348 wurde sie gegründet und ist so die älteste Universität nördlich der Alpen und östlich von Paris sowie die erste deutschsprachige Universität überhaupt. Karls Schaffen ist aber auch außerhalb Prags auf böhmischem Boden nicht zu übersehen: So ließ er die Burg Karlštejn/Karlstein 30 Kilometer südwestlich Prags errichten und gab Karlovy Vary/Karlsbad seinen Namen.
Staroměstské náměstí/Altstädter Ring
Der Altstädter Ring ist das Herz der Altstadt. „Staromák“ nennen ihn die Prager. Welch ein Trubel… Menschenmassen stehen vor einer Uhr, junge Männer versuchen, sich mit riesigen Seifenblasen oder durch das Auftragen silberner Farbe auf den ganzen Körper ein Zubrot zu verdienen, Straßenmusiker spielen auf den verrücktesten Instrumenten, es parken ein paar Pferdekutschen. Aus Holzbuden werden trdelníks verkauft. Eine „altböhmische Spezialität“, wie man oft an den Ständen liest, ist dies jedoch keineswegs: Noch vor zehn Jahren, wusste in Prag keiner, worum es sich bei dem süßen Gebäck handelt. Direkt nebenan wird tschechisches Fast Food an den Mann, beziehungsweise Touristen, der er es noch nicht vermag, den hier horrend hohen Kronenpreis in die Heimatwährung umzurechnen, gebracht. All das vor einem ganzen Haufen historischer Gebäude, zum Beispiel der Teynkirche, deren Eingang so gut wie nicht aufzufinden ist. Auf dem Denkmal in der Mitte des Platzes steht Jan Hus, der „tschechische Martin Luther“.
Schlägt die Astronomische Uhr (Pražský orloj) am Rathausturm zwischen 9 und 23 Uhr zur vollen Stunde, wandeln Figuren der zwölf Apostel umher, und der Tod läutet dazu die Glocke im Turm. Eines der Touristen-Highlights!
Geht man über den Altstädter Ring, erkennt man so stets, wie spät es ist: Keine Menschenmengen vor der Uhr: zehn nach um oder mitten in der Nacht. Menschenmengen, die wie wild durch die Gegend rennen: ganz kurz nach um. Alles voller Menschen: kurz vor um. Alles voller Menschen, die Smartphones an Selfie-Stangen und Camcorder in die Höhe recken: volle Stunde.
Um die Astronomische Uhr rankt sich selbstverständlich auch eine Legende: Die Uhr wurde im 15. Jahrhundert vom jüdischen Uhrmachermeister Hanuš entwickelt. In Prag war man nun sehr stolz auf das technische Wunderwerk und Meister Hanuš wurde ein angesehener Mann. Mit der Zeit bekamen die Prager Bürgerlichen jedoch Angst: Was, wenn Meister Hanuš noch einen weiteren Orloj für eine andere Stadt bauen würde? Ein Bürger dachte sich einen furchtbaren Plan aus und so wurde der arme Uhrmachermeister, während er eines Abends in seiner Stube bei der Arbeit saß, von zwei Einbrechern geblendet, damit er das Geheimnis der Konstruktion des Orloj nimmer verraten könne. Hanuš aber, nachdem er sich erholt hatte, bat einen seiner Lehrlinge, ihn zum Hauptmechanismus der Astronomischen Uhr zu geleiten. Er hielt die Uhr an. Draußen begannen die Menschen zu schreien, Hanuš fiel tot zu Boden. Und so hatten die Bürger am Ende gar nichts erreicht. Es dauerte sehr lange, bis ein Uhrmachermeister gefunden wurde, der den Orloj wieder reparieren konnte. Das funktionierende Innenleben der Astronomischen Uhr lässt sich bis heute im Rathausturm bestaunen.
Pražský hrad/Prager Burg
Zentrum des Burgviertels Hradčany/Hradschin ist eine Burg. Es ist sogar das größte, zusammenhängende Burgareal der Welt, erzählt man sich.
Der Präsident der Tschechischen Republik hat hier oben seinen Sitz und traditionell weht immer, wenn er anwesend ist, eine Flagge mit den Wappen von Böhmen, Mähren und Schlesien und der Aufschrift „Wahrheit siegt“. Wenn aber Miloš Zeman Präsident ist, kann es schon einmal vorkommen, dass aus Protest eine Künstlergruppe statt der tschechischen Fahne eine überdimensionale, rote Unterhose hisst…
Auf der Prager Burg kann man viel erleben, auch ohne den Eintritt zu bezahlen. Beachten sollte man jedoch, dass man vor dem Betreten des Areals eine Sicherheitskontrolle durchlaufen muss, was vor allem an Wochenenden zu langen Wartezeiten führen kann. Man kann kostenlos in den grandiosen St.Veits-Dom hinein. Mit dessen Bau wurde 1344 begonnen, doch das Westwerk mit den beiden Türmen wurde erst im letzten Jahrhundert fertiggestellt. Von November bis März ab 16:00 und ansonsten ab 18:00 Uhr sind außerdem die Tore zum Goldenen Gässchen für jedermann geöffnet. In der Nummer 22 lebte Franz Kafka für ein Jahr, heutzutage befindet sich im entsprechenden Haus eine ganz furchtbar touristische Buchhandlung. Sehenswert sind im Sommer die öffentlich zugänglichen Gärten unterhalb der Burg, von wo aus man einen herrlichen Blick auf die Malá strana/Kleinseite hat.
Wer dem Rat, die Burg nach 17:00 Uhr zu besuchen, nicht folgen und sich stattdessen die volle „Touri-Dröhnung“ geben muss oder will, dem sei die große Wachablösung, täglich 12:00 Uhr am Burgtor ans Herz gelegt. Freilich ist es die Burg der tschechischen Hauptstadt, eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt, doch auf einen Besuch kann man auch getrost verzichten. Von den Attraktionen im folgenden Kapitel nimmt man mitunter mehr mit.
Václavské náměstí/Wenzelsplatz
Der Wenzelsplatz, oder „Václavák“, wie ihn die Einheimischen liebevoll nennen, ist der bekannteste Platz in Prag. Hier residieren gefühlt 27 McDonald’s, 73 Starbucks und 39 Wechselstuben. Im Neo Luxor kann man Bücher kaufen und es gibt auch eine ordentliche Auswahl an internationaler Presse. Die Baťa-Filiale ist das größte Schuhgeschäft Prags und vielleicht sogar ganz Tschechiens. Die Fabrikate des mährischen Schuhmachers werden mittlerweile überall auf der Welt verkauft.
Die Grünflächen in der Mitte des Platzes wurden einst zur Zeit des Kommunismus in den 80er Jahren angelegt, um Demonstrationen zu verhindern. Am höhergelegenen Kopfende des 750 Meter langen Platzes steht eine Bronzestatue des Heiligen Wenzel, dem Schutzpatron von Böhmen und Mähren. Dahinter befindet sich das Nationalmuseum, das allerdings schon seit 2011 grundrenoviert wird und deshalb derzeit nicht zu besichtigen ist. Die Statik des Gebäudes hat durch die davor liegende Stadtautobahn arg gelitten. Die Straße wurde zu kommunistischen Zeiten errichtet, damit Einsatzkräfte und Polizei schnell vor Ort sein können, wenn eine ungewünschte Demonstration stattfindet. Vor den Treppen des Bauwerks befindet sich in die Pflastersteine eingelassen ein unscheinbares Denkmal mit einem großen Hintergrund: Es ist ein Kreuz; zu brennen scheint es und zwei Namen befinden sich darauf. Zu Beginn des Jahres 1969 hatte der sogenannte Prager Frühling (die Periode einer etwas freieren Politik unter Alexander Dubček in der damals kommunistischen ČSSR) durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes sein abruptes Ende gefunden.
Auch auf dem Václavák rollten die Panzer. In der Fassade des Nationalmuseums finden sich noch heute Einschusslöcher. Ernüchterung in der Bevölkerung. Jan Palach, Student an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität, war so enttäuscht, dass er sich am 16. Januar 1969 auf den Treppen des Museums selbst entzündete. Drei Tage später starb er im Krankenhaus. Als „lebendige Fackel“ wollte er die Bevölkerung aufwecken. Es folgten ihm etliche junge Männer aus verschiedenen Gründen nach, sogar bis in unser Jahrtausend hinein.
John Lennon Wall
Die Mauer auf der Prager Kleinseite war in der ČSSR schon länger als „Klagemauer“ bekannt. Es war das Jahr 1980. John Lennon wurde ermordet und irgendjemand kam auf die Idee, die Wand mit ein paar Beatles-Zitaten und einem Lennon-Portrait zu besprühen. Die Geschichte nahm ihren Lauf… Die Wand wurde voller. Den kommunistischen Stadtoberen missfiel dies und sie ließen die Wand überstreichen. Von den jungen Pragern wurde sie wieder übersprüht. Und dann wieder überstrichen. Und wieder übersprüht. „Freiheit! Kommunismus wollen wir nicht!“ Es wurde ein Wachposten postiert, der dafür sorgen sollte, dass die Mauer weiß blieb. Dann fiel im Nachbarland eine Mauer und so ist die John Lennon Wall nun heute im Besitz des Malteserordens, der gleich nebenan seine Botschaft hat, und darf besprüht und bekritzelt werden, wie man auch immer will. Politische Meinungen finden sich auf der Wand noch immer und dazwischen kleine Verewigungen von Touristen mit ihren Eddings. Man kann die John Lennon Wall täglich besuchen, sie wird jedes Mal anders aussehen. Übermalt wurde die Wand trotzdem noch einmal. 2014 war ein Künstler der Meinung, auf der Wand müsse wieder Platz für neue Gedanken sein. „Wall is over!“ prangte eines Morgens in Blockbuchstaben auf den kahlen Steinen. Das erste, was geschah? In die Ecke oben links wurde ein Lennon-Portrait gemalt. Und im Wort „Wall“ wurden die zwei „L“ durch ein „R“ ersetzt. War is over!
Prager Botschaft
Die deutsche Botschaft in Prag ist ein Ort der jüngeren deutschen und tschechischen Geschichte. Herbst 1989: Die DDR-Bürger wollten raus aus ihrem maroden sozialistischen Staat. So schwangen sie sich zu Hunderten in ihre Trabbis und fuhren in die Hauptstadt der Tschechoslowakei, wo ein Weg in den Westen über die Botschaft der BRD führen sollte. Die Autos ließen sie, nachdem sie in Prag angekommen waren, einfach mit steckendem Schlüssel am Straßenrand stehen. Innerhalb weniger Wochen kamen bis zu 4000 Menschen zusammen, die im Garten der Botschaft hausten. Zelte wurden errichtet, mobile Toiletten aufgestellt, für die Kinder gab es sogar Schulunterricht. Der Botschaftsbetrieb der BRD wurde in ein Hotel verlegt. Einige Prager reichten Essen durch den Zaun oder halfen anderswie und machten sich damit eigentlich strafbar. Es regnete, der Garten wurde zum Schlammfeld, die Zustände auf dem Botschaftsgelände waren alles andere als schön.
Am 30. September 1989 betritt Hans-Dietrich Genscher, der Außenminister der BRD, den Balkon der Botschaft und erklärt: „Liebe Landsleute, wir sind zu ihnen gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass heute ihre Ausreise…“ – weiter kommt er nicht. Jubel brandet auf. In verschiedenen Zügen werden die „Republikflüchtlinge“ in den kommenden Tagen durch die DDR hindurch in die BRD gefahren, insgesamt reisen 17.000 DDR-Bürger über die Prager Botschaft aus. Kurze Zeit später fällt die Berliner Mauer und in Folge der „Eiserne Vorhang“ in ganz Europa.
Den „Genscher-Balkon“ und auch eine an die Ereignisse erinnernde Trabbi-Skulptur von David Černý kann man heute sehen, wenn man die Vorderseite der Botschaft in der Vlašská-Straße 19 passiert und an der nächsten Möglichkeit links einbiegt. Man kommt an einem Kinderspielplatz vorbei, geht links auf den schlammigen Waldweg und gelangt dann zu der Stelle im Zaun, wo der Blick nicht durch Bäume und Sträucher verdeckt ist. Heute englische Gartenkunst, gestern Zeltlager für tausende hoffende Menschen.
Das andere Prag
Vyšehrad
Der Vyšehrad (in etwa „Hochburg“) ist ein absolut großartiger Ort. Zu erreichen ist er am besten mit der roten Metro C. Man verlässt die gleichnamige Station und geht dann in der Richtung des Ausgangs einige Meter zu Fuß durch eine Villensiedlung. Und dann erblickt man das alte Gemäuer.
Entstanden ist die Burganlage im 10. Jahrhundert, aber warum, wo es ja doch schon eine Prager Burg gab, das weiß heute keiner mehr. In jedem Falle handelt es sich um einen sagenumwobenen Ort. Prinzessin Libuše zum Beispiel, soll einst hier oben die Vision von der Gründung Prags gehabt haben. 1070 wurde mit dem Bau der St.-Peter- und-Pauls-Kirche begonnen. Freilich wurde sie einige Male umgestaltet, aber das Ambiente im Inneren beeindruckt bis heute. Auf dem angrenzenden Ehrenfriedhof Slavín finden sich die Gräber einiger berühmter Tschechen: Dvořák, Smetana, Mucha, Čapek, Neruda, Němcová… Eine Frau auf einem Grab sieht aus, als würde sie gerade auferstehen. Der Bau des Friedhofs wurde 1862 veranlasst, zur Zeit der Nationalen Wiedergeburt, als der Vyšehrad zu einem Symbol der tschechischen Identität wurde. Smetana verarbeitete den Mythos um den Vyšehrad 1874 in seiner symphonischen Dichtung „Má vlast“ (Mein Vaterland). Auf dem Vyšehrad gibt es immer wieder Neues zu entdecken, auch wenn von der einstigen Burg nur noch ein paar Mauerreste übrig sind. In einem der Häuser befindet sich ein netter, kleiner Laden, der allerlei schöne Dinge verkauft. Man sieht auch die gigantische Brücke, durch die man mit der Metro hierhergekommen ist. Und die vielen kleinen, die über die Moldau führen und ja, das da ganz am Ende, das ist wohl die Karlsbrücke. Man sieht Kirchtürme. Und den Kirchturm des St.-Veits-Doms. Man sieht die Moldau und von unten hört man ganz leise die Stadt atmen: das Quietschen der Trams, die Sirenen der Polizeiautos. Dann läutet es vom Kirchturm her zur vollen Stunde eine Melodie. Man genießt noch einmal den Blick auf die Moldau flussabwärts, im Idealfall ist es gerade Sonnenuntergang, dann muss man sich wieder in die Hektik der Millionenstadt schmeißen.
Letná
Zentrales Element der Letná-Ebene ist das Metronom, das hoch über Prag den Takt der Geschichte schlägt. Eine lange Historie hat dieser Ort. Früher stand hier ein gigantisches Stalin-Monument. 1949 wurde begonnen, es zu errichten. Die Bauzeit dauerte fünfeinhalb Jahre. Kurz vor Beendigung der Arbeiten nahm sich der Architekt Otakar Švec das Leben. Nun thronte über der Stadt ein gigantisches Denkmal: Der 15,5 Meter große Stalin, dahinter zwei Reihen mit Vertretern der Arbeiterklassen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei, am Ende zwei Soldaten. „Fronta na maso“ wurde das Denkmal von den Pragern genannt, die „Schlange beim Metzger“. Doch die Zeiten änderten sich: Stalin starb, die Periode des „Tauwetters“ in der Politik setzte ein. 1962 wurde das Riesendenkmal in die Luft gejagt. Notdürftig versuchte man, die Sprengung von 17.000 Tonnen Granit vor der Bevölkerung zu verbergen.
1990: Papst Johannes Paul II. hält auf der Letná-Ebene seine erste Messe in der Tschechoslowakei. Im Strahov-Stadion, dem damals größten Stadion der Welt, spielen die Rolling Stones, gute Bekannte von Václav Havel. „Tanks are rolling out, the Stones are rolling in“, heißt der Slogan des Konzerts und wo einst über der Stadt das Stalin-Denkmal stand, thront nun eine riesige knallbunte Zunge. Aus dem Sockel des Denkmals sendet der Piratensender Radio Stalin, doch nach einigen Tagen wird die Sendeanlage von der Polizei beschlagnahmt. Es gibt eine Petition gegen das Monopol des staatlichen Rundfunks und schon kurz darauf werden die Gesetze umgeschrieben: Aus „Radio Stalin“ wird „Radio 1“, der erste private Rundfunksender der Tschechoslowakei.
Heute ist das ehemalige Fundament einer der beliebtesten Spots für die Prager Skater-Szene. Vom Metronom aus hat man einen sensationellen Blick über die „Stadt der hundert Türme“. Im Sommer genießt man ihn am besten mit einem kühlen Bier, welches man zum äußerst fairen Preis im Plastikbecher von der Selbstbedienungsbar Stalin bekommt, die sich in den Katakomben befindet. Ab und an spielt ein DJ, und man kann sich vom Straßenfriseur die Haare schneiden oder sich rasieren lassen, während man seine Gedanken über die Dächer der Stadt fliegen lässt. Auf den Klappstühlen der Bar treffen die jungen Prager auf junge Reisende.
Geht man – vom Fluss aus gesehen – etwas nach rechts durch den Park, kommt man zu einem Platz, von wo aus man eine etwas andere Perspektive hat und wo es noch einen weiteren netten Selbstbedienungsbiergarten mit guter Bier- und Schnapsauswahl gibt.
Vítkov
Auf dem Hügel Vítkov (Sankt Veitsberg) steht ein eindrucksvoller Granitklotz, der unter anderem einst das Mausoleum von Klement Gottwald beherbergte, der nach dem Zweiten Weltkrieg stalinistischer Herrscher der Tschechoslowakei wurde.
Heute ist der Klotz ein Nationaldenkmal und im Gebäude befindet sich die sehenswerte Ausstellung „Kreuzungen tschechischer und tschechoslowakischer Staatlichkeit“, in der die bedeutenden Umbrüche im 20. Jahrhundert behandelt werden. Die Dachterrasse beherbergt ein Café, von wo aus man einen großartigen Blick genießt.
Vor dem Nationaldenkmal steht eine der größten Reiterstatuen der Welt. Dargestellt ist der einäugige hussitische Heerführer Jan Žižka. Nach ihm ist auch das Viertel Žižkov, auf das man von hier einen großartigen Blick genießt, benannt.
Wer noch im Hinterkopf hat, dass 2005 im tschechischen Fernsehen Karl IV. zum größten Tschechen gekrönt wurde, der sollte aufhorchen: Eigentlich erklomm jemand anderes den Thron: Jára Cimrman. Das Geburtsdatum Cimrmans ist heute umstritten, am plausibelsten erscheint die Jahreszahl 1884. Sein Wirken und Schaffen ist noch heute allerorts auf der Welt spürbar. Er war es, der der amerikanischen Regierung den Bau des Panamakanals vorschlug. Er reformierte das galizische Schulsystem, half bei der Konstruktion des ersten Zeppelins und gründete ein Puppentheater in Paraguay. Er stand Edison bei der Glühbirnenerfindung zur Seite und er erfand den Joghurt. Neben all dem hat Cimrman auch ein beeindruckendes Dramen-Oeuvre erschaffen. Heute werden seine Werke im Divadlo Járy Cimrmana in Prag-Žižkov aufgeführt. Vor den Stücken gibt es stets eine kurze Einführung zur Person Jára Cimrmans und seinen Erfindungen.
Ein geradezu unglaublicher Lebenslauf… Und tatsächlich: Cimrman ist eine Erfindung der drei Theatermänner Ladislav Smoljak, Jiří Šebánek und Zdeněk Svěrák aus dem Jahre 1966. Als die ČTZuschauer 2005 Cimrman wählten, schaltete sich die BBC als Lizenzgeber der Sendung ein und erklärte, ein fiktiver Charakter könne nicht gewinnen. Cimrman wurde disqualifiziert, die Empörung war groß. Dennoch wird Cimrman nach wie vor in Tschechien gefeiert. Einige Straßen sind nach ihm benannt und 1996 erhielt gar ein Asteroid seinen Namen: (7796) Járacimrman fliegt seitdem zwischen Mars und Jupiter umher.
Divoká Šárka
Hält man einen City-Trip nicht ohne sportliche Betätigung und Natur aus, so lohnt sich ein Ausflug zum Divoká-Šárka-Tal, etwas abseits im Nordwesten der Stadt. Hierher kommen die Prager zum Joggen und Radfahren. Fühlt man sich nach dem Ausflug zu gesund, kann man direkt das Burgerlokal an der Endhaltestelle der Tram besuchen. Bemerkenswert: In tschechischen McDonald’s gilt kein Alkoholverbot wie in Deutschland und so ist es möglich, ein Pilsner Urquell in der 0,33l-Dose zu bekommen. Prost!
Der Fernsehturm im Stadtteil Žižkov ist mit 216 Metern nicht nur das höchste, sondern auch das wohl umstrittenste Gebäude der Hauptstadt. Love it or hate it. Schon der Weg zum Turm lohnt sich – Žižkov ist nicht mehr das graue Arbeiterviertel, sondern eine gefragte Wohn- und Feiergegend. Zwischen den Häusern blitzt immer wieder die Spitze des Turmes hervor, doch was ist das denn…? Sind das etwa…? Ja. Es sind gigantische Babyskulpturen, die am Žižkov-Turm rauf und runter klettern. Dort hingehängt hat sie ein Künstler, dessen Name hier nun schon einmal auftauchte (beim Trabbi auf Beinen in der Prager Botschaft): David Černý.
Von der Aussichtsplattform in 93 Metern Höhe aus hat man eine ganz neue Perspektive auf die Stadt. Man blickt in die umliegenden Hinterhöfe und der St.-Veits-Dom sieht auf einmal gar nicht mehr so groß aus. Wer keine Lust hat, sechs Euro für den Eintritt auf einen Turm zu zahlen, dem sei das Restaurant in 66 Metern Höhe empfohlen. Für weniger Geld bekommt man hier zum Ausblick noch ein Getränk dazu. Wenn man sich am Blick auf die Stadt nicht sattsehen kann, sollte man sich für etliche Kronen die Nacht im „One-Room- Hotel“ in 70 Metern Höhe einbuchen.
Střelecký ostrov
Die Střelecký ostrov (Schützeninsel) ist einen Besuch wert, wenn die ersten Frühblüher aus der Erde schießen, wenn die Sonne gleißend heiß brennt, wenn das Laub am Boden raschelt und auch, wenn der erste Schnee gefallen ist. Ein Ort der Ruhe inmitten der Innenstadt und inmitten der Moldau. Es gibt einen Kinderspielplatz, im Sommer viel Livemusik und von der Spitze der Insel eine Perspektive auf die Karlsbrücke, wie man sie sonst von nirgends aus hat. Die Kehrseite der Sauberkeit und Schönheit auf der Insel ist, dass es ein Alkoholverbot gibt und das Betreten ab den späten Abendstunden verboten ist – der Wachdienst sorgt für die Umsetzung der Regeln. Wenn die Saison eröffnet ist, lohnt es sich, sich an der Slovanský-Insel (eine Insel weiter im Süden) ein Tretboot auszuleihen und damit an das Schiff, was in den Sommermonaten an der Střelecký ostrov vor Anker liegt, anzudocken. Auf ihm gibt es einen netten Biergarten, wo es neben Kaltgetränken – sollten sie alkoholisch sein, dürfen sie wegen des Alkoholverbots auf der Insel nur an Deck konsumiert werden – die gängigen deftigen Gerichte gibt. Zum Beispiel klobása (eine etwas würzigere geräucherte Bratwurst), aber auch halušky (das slowakische Nationalgericht). Und wenn man Glück hat, reicht einem die Bedienung ein Bier direkt ins Tretboot hinunter und man kann gleich weiterschippern. Mitten in der Moldau mit einem kalten Bier in der Hand der Sonne entgegen – was gibt es Schöneres?
Petřín
Der Petřín (Laurenziberg) ist ein beliebter Entspannungsort, sowohl bei Touristen als auch bei den Pragern. Der Hügel lässt sich hervorragend auf vielen verschiedenen Wegen zu Fuß erklimmen, oder man entscheidet sich für die Standseilbahn, mit der man mit einem Metro-Ticket kostenlos fahren kann. Bei der eigenartigen Mauer handelt es sich um die Hungermauer, die der Sage nach Karl IV. 1360 erbauen ließ, um nach einer Missernte Arbeitsplätze zu schaffen. Die Arbeiter wurden mit Lebensmitteln aus den königlichen Vorratskammern entlohnt. Das kleine Türmchen auf dem Hügel ist eine Nachbildung des Pariser Eiffelturms aus dem Jahre 1891, nur ungefähr fünfmal kleiner als das Original. Am Fuße des Berges findet sich ein eindrucksvolles Denkmal für die Opfer des Kommunismus.
Vrtbovská zahrada/Vrtba-Garten
Der Vrtba-Garten befindet sich in einem Hauseingang auf der Kleinseite versteckt. Seit 1999 wird der 1720 entstandene Barock-Garten von einem Postunternehmen betrieben. Das mag etwas dubios wirken, tut dem grandiosen Erlebnis aber keinen Abbruch. Neben all den Statuen und Beeten ist es vor allem der Ausblick, der begeistert. Vom oberen Ende des Etagengartens hat man eine großartige Perspektive auf die Prager Burg und den Rest der Stadt.
Stromovka
Ist einem Divoká Šárka zu weit ab vom Schuss, um Energie im Grünen zu sammeln und will man doch eigentlich nur den Hund ausführen, so lohnt sich ein Spaziergang im Stromovka-Park, dem größten Park der Stadt. Überquert man in seinem Norden die Moldau, kann man den Zoo, der als einer der schönsten weltweit gilt, oder das Schloss Troja besuchen.
Olšanské hřbitovy/Olšany Friedhöfe
Die Friedhofsanlage im Osten der Stadt entstand einst im 17. Jahrhundert, als man nach einer Möglichkeit suchte, die Pesttoten vor den Toren der Stadt zu begraben. Seitdem gelten die Olšany Friedhöfe als die größte Grabanlage Tschechiens. Die Jugendstilgrabsteine und allerlei Efeu versprühen eine sehr besondere Atmosphäre. Einen Teil der Olšany Friedhöfe bildet der Nový žídovský hřbitov, der Neue Jüdische Friedhof. Hier liegt auch Franz Kafka begraben.
Valdštejnská zahrada/Wallenstein-Garten
Der Wallenstein-Garten auf der Kleinseite ist eine Oase der Ruhe. An heißen Sommertagen ist die Kühle zwischen den Bäumen oder auf dem Rasen überaus angenehm und auch die Pfauen, die den Park bewohnen, machen es sich hier gern gemütlich. Eine Außenwand ist im Stile einer Tropfsteinhöhle gestaltet. In der Mauer versteckt sind viele steinerne Tiergestalten, die allerdings gut getarnt sind. Viel Spaß beim Suchen!
Ist man nach dem Aufenthalt im Garten wieder voller Energie, lohnt ein Ausflug zur Metro-Station Malostranská. Vor dem Eingang sprudelt in den warmen Monaten ein Trinkbrunnen vor sich hin. Hält man eines der Löcher in den Kugeln zu, spritzt das Wasser aus dem anderen doppelt so weit heraus, und hält man beide Löcher zu, so dass sich ein Druck aufbaut, und lässt dann ein Loch los, ergießt sich ein meterlanger Strahl quer über den Platz. Ein schöner Spaß und eine hervorragende Abkühlung – wenn gerade niemand zusieht!
Prager Gesichter: Josef Jungmann, 1733–1847
Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts durchfegt die Welle der nationalen Wiedergeburten die slawischen Länder und so auch Böhmen, Mähren und Schlesien. Es wird ein neues, tschechischsprachiges Schulsystem aufgebaut, in Prag werden das Nationaltheater und das Nationalmuseum gegründet. Zentrale Bedeutung kommt der tschechischen Sprache zu. 130 Jahre lang wurde die Sprache nur gesprochen, die Literatur- und Wissenschaftssprache war Deutsch. Unter anderem Josef Jungmann nahm es sich zum Ziel, das Tschechische wieder zu beleben. Sein 1839 erschienenes fünfbändiges Wörterbuch Tschechisch-Deutsch ist bis heute Grundlage der tschechischen Schriftsprache. Um zu zeigen, zu was das Tschechische alles in der Lage ist, übersetzte Jungmann Goethe und andere Autoren und schrieb selbst Sonette und weitere Literatur. Aus dieser Zeit rühren die großen Unterschiede zwischen gesprochener Sprache und tschechischer Schriftsprache her sowie das Phänomen, dass das Tschechische eine der fremdwortärmsten Sprachen Europas ist.
Nový Svět/Neuwelt-Gasse
Die Neue Welt war einst ein armer Vorort vom Burgviertel. Später lebten hier die Künstler und heute, trotz der Nähe zur Prager Burg, ist sie eine der wenigen von den Touristen noch nicht entdeckten letzten Perlen Prags. Hier wohnte schon Tycho Brahe. In der Nummer 2 gibt es ein sehr nettes Familiencafé mit kleinem Innenhof. Besucht man die Neuwelt-Gasse am Abend, wenn die Laternen ihr gelbliches Licht auf die Pflastersteine werfen, ist das Zeitreisegefühl perfekt.
Palác Lucerna/Lucerna-Passage
Vom Wenzelsplatz gehen einige Passagen ab, in denen man dem Trubel des Zentrums oft ganz gut für eine Weile entgehen kann. Die Lucerna-Passage, die die Straßen Vodičkova und Štěpánská verbindet, ist wohl die prächtigste von allen. Gebaut wurde sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ist so der älteste Passagenbau Prags. Hier trafen gesellschaftliches, kulturelles und geschäftliches Leben der Stadt aufeinander.
Auch heute noch gibt es hier allerlei Läden und Cafés. Im Kino Lucerna werden seit über 100 Jahren Filme gezeigt, auf den Sitzen im historischen Saal saßen bereits mehr als 1 Million Zuschauer. Die Lucerna Music Bar war früher ein Kabarett. Heute gibt es Konzerte und jeden Freitag und Samstag legendäre 80er und 90er-Partys. In der Mitte der Passage hängt seit dem Jahr 2000 eine Statue von der Decke: Ein totes Pferd, auf dem der Schutzpatron der Tschechen, der Heilige Wenzel sitzt. Sie spielt auf die Reiterstatue am oberen Ende des Wenzelsplatzes an. Laut dem Künstler, David Černý, soll die Statue hier so lange hängen, bis Tschechien wieder eine Monarchie wird.
Břevnovský klášter/Kloster Břevnov
Das Kloster Břevnov wurde 993 als erstes Männerkloster in den böhmischen Ländern gegründet. Der Klostergarten ist begehbar. Ideal lässt sich ein Spaziergang hier in der Morgensonne mit einem Besuch der Morgenandacht Montag bis Samstag um 7:00 Uhr in der Barockkirche der Heiligen Margareta verbinden. Die Kirche inspirierte auch den Architekten des Dresdner Zwingers bei seinen Arbeiten.
Auch in den Abendstunden lohnt ein Besuch: Seit dem 13. Jahrhundert ist die Existenz der klostereigenen Brauerei belegt. Sie gilt so heute als die älteste Brauerei Tschechiens. Das Bierbrauen in den Klöstern war damals keine Seltenheit. Es diente hauptsächlich dazu, um gut genährt über die Fastenzeit hinweg zukommen. Seit 2003 ist die Brauerei wieder in Betrieb. Das hier gebraute Břevnovský Benedict kann heute in der Klosterschenke (Klášterní šenk) gekostet werden.
Prager Gesichter: Franz Kafka, 1883–1924
Kafka ist Prag und Prag ist Kafka. Na ja, ein wenig vielleicht. Fakt ist: Auf den in den Touristenlädchen zu erwerbenden T-Shirts und Jutebeuteln, überall prangt das Gesicht des Literaten.
Die Lebensgeschichte Kafkas ist altbekannt. 1883 die Geburt in Prag, 1901 der Beginn des Jura-Studiums, die Streitigkeiten mit dem Vater, die Briefe an ihn, 1902 das Kennenlernen mit Brod, „Die Verwandlung“, „Der Prozess“, „Das Schloss“, „Der Verschollene“, der Tod 1924 und das ungewünschte Veröffentlichen seiner Texte posthum durch Max Brod.
Franz Kafka wuchs im jüdischen Viertel, gewissermaßen auf dem Altstädter Ring und ringsherum auf. Mit den Eltern sprach er Deutsch und besuchte auch eine deutsche Schule, aber da er eben auch unter tschechischen Dienstboten groß wurde, war er quasi bilingual. Weil zu seinen Lebzeiten nicht sonder lich viele seiner Texte erschienen und auch noch recht verstreut in Zeitschriften und Tageszeitungen, war er nur einem literarisch überdurchschnittlich gebildeten Publikum bekannt.
Wer Kafka heute begegnen möchte, kann das nicht nur in seinen Texten, sondern seit 2004 auch mittels einer Bronzestatue an der Kreuzung der Straßen Dušní und Věženská. Und natürlich im sehenswerten Kafka-Museum!
Háje
In Prag leben 1,3 Millionen Menschen. Dass die nicht alle in Prag 1 wohnen oder in einem schnieken Altbau, ist klar. Jeder zweite Prager wohnt in einem Plattenbau, in ganz Tschechien ist es jeder dritte. Für die Tschechen ist dies gar kein Problem – die Platte ist im Trend! In der Regel ist man auch zugleich Eigentümer der Wohnung, in der man wohnt. In der Prager Südstadt, zu der Háje gehört, leben 90.000 Menschen im panelák.
Prag-Háje ist die größte Plattenbausiedlung Tschechiens. Die knapp 20 Minuten lange Fahrt vom Zentrum zur Endstation der roten Metro C lohnt sich. Wenn die Rolltreppe einen ans Tageslicht befördert hat, fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Man kann den Kommunismus förmlich noch riechen, doch es ist auch einiges im Wandel: Nach und nach werden die grauen Fassaden übermalt und strahlen in freundlichen Farben.
Vor allem das 81 Meter hohe Brückenhochhaus mit der Uhr fällt ins Auge. Der höchste panelák der Tschechischen Republik wurde 1980 errichtet, gehört heute dem Innenministerium und beherbergt vor allem Polizisten und Feuerwehrmänner. Im 22. Stock befindet sich das Restaurant Kupa. Hier kann man in schwindelerregender Höhe ein Bier mit Ausblick genießen.
Kunst und Kultur
Národní divadlo/Nationaltheater
Die Sparten Oper, Ballett, Schauspiel und „Laterna magika“ des Nationaltheaters spielen in verschiedenen Gebäuden in der Stadt. Das Gebäude des Nationaltheaters an der Moldau brannte 1881 kurz vor der offiziellen Eröffnung ab und wurde zwei Jahre später wieder aufgebaut. Eröffnet wurde es mit Smetanas Oper „Libuše“, die bis heute als Nationaloper der Tschechen gilt und nur zu besonderen Anlässen und an staatlichen Feiertagen aufgeführt wird. Da Kaiser Franz Joseph den Bau nicht unterstützte – die Bauarbeiten wurden komplett durch Spenden aus dem Volk finanziert – befindet sich die Kaiserloge im Zuschauerraum nicht wie üblich mittig, sondern an der Seite.
Neben dem alten Nationaltheater befindet sich die Nova scéna (Neue Bühne). Dies ist das Zuhause der Laterna magika (Schauspiel mit viel Bewegung und kaum Sprache). Das Gebäude entstand in den 80er Jahren, die Prager sind sich bis heute uneinig: Ein so moderner Glasbau auf der Nationalstraße? Geschmacksfrage.
DISK
Das Theater DISK ist das Schauspiel der DAMU, der Theatersparte der Hochschule AMU (Akademie múzických umění/Akademie der musischen Künste). Die DAMU ist die renommierteste Theaterhochschule Tschechiens. Im DISK finden im Wechsel Vorstellungen vom Institut für Alternatives und Puppentheater und vom Institut für Schauspieltheater statt.
Im Kafe Damu kann man sich auf den Theaterabend einstimmen oder ihn ausklingen lassen. Kunst und Kultur mitten in der Karlova, einer der touristischsten Straßen Prags.
Divadlo pod Palmovkou
Am Ort, wo das Theater pod Palmovkou steht, wird schon seit über 100 Jahren Theater gemacht. Heute wird auf zwei Bühnen gespielt. Während im Großen Saal Freunde klassischer Schauspielinszenierungen auf ihre Kosten kommen, gibt es unter dem Dach das Palm Off Studio. Hier wird junges, alternatives Theater gezeigt. Im Erdgeschoss befindet sich ein nettes Theatercafé, und manchmal setzt sich jemand ans Klavier und spielt einfach drauf los. Beim Hochwasser 2013 litt der Große Saal erheblich und stand komplett unter Wasser. Er wurde wieder saniert und erstrahlt in neuem Glanz.
Divadlo Archa
Das Theater Archa hat kein eigenes Ensemble, sondern arbeitet projektbezogen. Unter anderem sind so schon Zusammenarbeiten mit Gruppen wie Rimini Protokoll entstanden. Der Spielplan ist voll mit zeitgenössischem Theater und größtenteils sind die Veranstaltungen „English-friendly“, das heißt übertitelt.
Jatka78
Das Jatka78 ist ein kreativer Ort für zeitgenössischen Zirkus, Tanz, Non-Verbales, Alternatives und Puppentheater. Gespielt wird in einer alten Fabrikhalle auf dem Gelände einer ehemaligen Schlachterei (jatka). Das geräumige Foyer lässt die alte Nutzung des Hauses noch erahnen und lädt zu einem Glas Wein und Austausch im Anschluss an die Vorstellung ein.
Divadlo Na zábradlí
Das Theater am Geländer hat es vor allem durch einen seiner Mitarbeiter zu Berühmtheit gebracht. In den 60ern wurde die Form des Absurden Theaters in Tschechien groß. Der spätere Präsident Václav Havel fing hier als kulisák (Kulissenschieber) an, arbeitete sich nach oben, wurde Inspizient, Dramaturg und Autor. Havels erste Ehefrau Olga Šplíchalová war hier Einlasserin.
Studio Hrdinů
Das „Studio der Helden“ befindet sich im Messepalast. Die jungen Inszenierungen legen allesamt Wert auf interdisziplinäre Aufführungen, die die Genregrenzen übertreten, der Spielplan ist prall gefüllt.
Veletržní palác/Messepalast
Eher noch als für Theater, ist der Messepalast im Stadtteil Holešovice für bildende Kunst bekannt: Die Sammlung moderner Kunst der Nationalgalerie zeigt hier neben Chagall, Picasso und van Gogh auch reichlich Werke tschechischer und tschechoslowakischer Künstler. Der Besucher sollte gehörig Zeit mitbringen, ein halber bis ganzer Tag sind empfehlenswert. Für Studenten und unter 18-Jährige ist der Eintritt frei.
Museum Kampa
Das Museum Kampa befindet sich in der im Jahr 2000 komplett sanierten Sova-Mühle direkt am Moldau-Ufer auf der Kleinseite. Die Sammlung von Jan und Meda Mládek beherbergt vor allem Werke von Otto Gutfreud und František Kupka. Abgesehen davon gibt es regelmäßig wechselnde Ausstellungen. Schweift der Blick von den Gemälden ab, kann man durch die Fenster die nahe Karlsbrücke sehen.
DOX
Das DOX ist ein „Centre for Contemporary Art“ in Holešovice. Das Gebäude ist ein moderner Kunsttempel, wie er im Buche steht. Weiße Wände, hohe Decken. Die spannenden Ausstellungen auf den 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche wechseln regelmäßig. Auf dem Dach des Gebäudes ist Ende 2016 ein begehbarer Zeppelin gelandet, in dem Lesungen stattfinden.
Leica Gallery Prague
Die Leica Gallery bietet regelmäßig wechselnde Ausstellungen tschechischer und slowakischer wie internationaler Fotografen. Die Ausstellungen sind meistens recht überschaubar, aber dennoch stets einen Besuch wert. Darüber hinaus lädt das gemütliche Café zum Verweilen ein, und es werden einige Bildbände zum Verkauf angeboten.
Kafka-Museum
Wer sich für den vielleicht berühmtesten Sohn der Stadt interessiert, dem sei das Kafka-Museum ans Herz gelegt. In einer über alle Maßen grandiosen Ausstellung erfährt der Besucher viel über das Leben des Schriftstellers und über die Zeit, in der er lebte. Und es ist eine wahre Freude, die Handschrift des Autors zu lesen. Sei es in Liebeserklärungen an Frauen oder im Brief an seine Eltern, den er einen Tag vor seinem Tod schrieb, doch leider nicht mehr beenden konnte. Was wohl Herr Kafka selbst zu diesem Museum sagen würde? Eigentlich wollte er ja noch nicht einmal, dass seine Bücher veröffentlicht werden und nun widmet man ihm ein ganzes Museum…
Vor dem Gebäude stehen zwei Herren in einem Umriss von Tschechien und pinkeln mit sich fröhlich bewegenden Unterleibern durch die Weltgeschichte. Was man nicht sofort sieht: Die Wasserstrahlen schreiben berühmte tschechische Zitate auf die Wasseroberfläche. Wieder ein Kunstwerk im öffentlichen Raum Prags mehr von David Černý.
Dům fotografie/Haus der Fotografie
Das Haus der Fotografie der Galerie der Hauptstadt Prag (GHMP) zeigt in wechselnden Ausstellungen das Schaffen vor allem tschechischer Fotografen. Ein Highlight für jeden, der sich für Fotografie interessiert.
Muzeum hygieny/Hygiene-Museum
Wer auf Reisen gern in Museen geht, bildende Kunst aber einfach nur öde findet, dem sei das Hygiene-Museum ans Herz gelegt, wo sich die weltweit größte Sammlung historischer Nachttöpfe und Toiletten findet. Der Besucher bekommt anhand von über 2000 Exponaten nicht nur einen schönen Überblick über die Toilettenentwicklung, sondern kann unter anderem auch die Nachttöpfe von Napoleon und Abraham Lincoln bestaunen.
Prager Gesichter
Tomáš garrigue masaryk, 1850–1937
Tomáš Garrigue Masaryk war der erste Präsident der Tschechoslowakei. In Tschechien wird er oft mit „TGM“ abgekürzt. Eigentlich ein Mähre, macht er in Wien seinen Doktor in Philosophie. Während eines Aufenthaltes 1876-1877 an der Universität Leipzig lernt er Charlotte Garrigue aus Amerika kennen. Später heiraten sie und er nimmt ihren Nachnamen an. Im Ersten Weltkrieg emigriert er, gründet das Auslandskomitee und wird Leiter der tschechoslowakischen Exilarmee. Zunehmend setzt er sich für eine von Österreich-Ungarn unabhängige Tschechoslowakei ein. Am 28.10.1918 gründet sich die Tschechoslowakei, die sogenannte „Erste Tschechoslowakische Republik“. Bis 1935 ist TGM ihr Präsident. Heute finden sich überall in Tschechien verteilt diverse Masaryk-Denkmäler. Vor Universitäten und auf Marktplätzen ist der finster dreinblickende Mann mit dem Bart zu finden. Der 1845 eröffnete erste Prager Bahnhof ist heute nach TGM benannt: der Masarykovo nádraží (Masaryk-Bahnhof).
Weiterreise
Plzeň/Pilsen
In Westböhmen liegt die Geburtsstadt des Pilsener Bieres (das eigentlich ein Bayer erfunden hat). Bei den Rangeleien zwischen Hussiten (Protestanten) und der katholischen Macht erbeuteten die Pilsner 1434 ein Kamel. Bis heute ist Pilsen die wohl einzige Stadt Mitteleuropas mit einem Kamel im Wappen. 2015 war die 170.000-Einwohner-Stadt Europäische Kulturhauptstadt, wurde mächtig aufgehübscht und profitiert davon noch heute. In der Region Pilsen gibt es die geringste Arbeitslosigkeit in der ganzen Republik.
Eine Führung in der Brauerei lohnt sich immer: Am Ende des Rundgangs gibt es spezielles, köstliches, ungefiltertes Pilsner Urquell – soviel man nur möchte. Vom Cross Café in den obersten Geschossen eines Bürohochhauses an der Tram-Station Anglické nábřeží aus genießt man einen großartigen Blick auf die Stadt und kann unter anderem das Dach der drittgrößten Synagoge der Welt erspähen.
An der Kirche auf dem Marktplatz, welcher zu den größten Mitteleuropas gehört, gibt es eine Pforte mit einer besonderen Geschichte: Einst wollte ein Henker hier heiraten, doch auf Grund seines Berufes war es ihm verboten. Er schickte einen verkleideten Freund vor, seine Verlobte für ihn zu ehelichen. An einem kleinen Engelchen an einem Tor der Kirche hielt er sich während der Zeremonie fest und betete, dass alles nach Plan verlaufen würde. Die Geschichte ging gut aus und das Engelchen erfüllt noch heute Wünsche, wenn man es mit der linken Hand umgreift und nur ganz fest daran glaubt. Davon sind nicht nur Touristen überzeugt, das glauben auch die Pilsener, die hier auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule halt machen und ihre Wünsche gen Himmel schicken.
Kutná Hora
50 Zugminuten westlich von Prag befindet sich das 20.000-Einwohner-Städtchen Kutná Hora (Kuttenberg). Auf die Ausflügler aus Prag ist man mittlerweile eingestellt, die Züge in die Hauptstadt werden am Bahnhof auch auf Englisch durchgesagt.
Kutná Hora ist vor allem für sein Beinhaus (kostnice) berühmt. Viele zehntausende Menschenknochen „schmücken“ hier einen Kirchenraum aus. Vor allem sind es Überbleibsel von Pestopfern oder von Gefallenen aus den Hussitenkriegen (Anfang des 15. Jhd.). Über allem schweben mit Schädeln verzierte Kronleuchter. Ein bizarrer Ort.
Neben dem Beinhaus sind aber auch der Dom der Heiligen Barbara (Chrám Sv. Barbory) und die Innenstadt im Allgemeinen überaus sehenswert. Hier kommt Mittelalterfeeling auf!
Český Krumlov
Český Krumlov (Krumau) liegt im Süden Böhmens. 13.000 Menschen bewohnen diese beeindruckende Stadt, deren mittelalterliches Zentrum UNESCO-geschützt ist. Vom Schloss aus hat man einen hervorragenden Ausblick. Direkt daneben schließt sich der Schlosspark mit einem im Sommer bespielten Freilufttheater an. Die Podesterie für die Zuschauer ist drehbar und so wird ringsherum gespielt. Im Egon Schiele Art Centrum gibt es eine Ausstellung zu Leben und Werk des Künstlers. Der Maler (1890–1918) hatte in der Geburtsstadt seiner Mutter eine sehr kreative Phase und zeichnete auch zahlreiche Stadtansichten. Die im Egon Schiele Art Centrum gezeigten Bilder sind jedoch leider größtenteils Kopien. Will man sich umfassend mit Schieles Werk befassen, führt also kein Weg am Wiener Leopold Museum vorbei. Bis zur österreichischen Grenze ist es von hier unten ja gar nicht mehr weit.
České Budějovice/Budweis
Den besten Blick über Budweis hat man vom Schwarzen Turm (Černá věž). Man schaut über die ganze Stadt und den großen Marktplatz. Das erfolgreichste Exportprodukt ist wohl neben den Bleistiften von Koh-I-Noor das Bier Budweiser Budvar.
Budweiser Budvar ist die einzige der großen tschechischen Brauereien, die keine Braulizenzen verkauft. Das bedeutet, dass man überall auf der Welt tatsächlich das hier in Südböhmen gebraute Bier mit dem guten Hopfen aus Žatec trinkt. In den USA jedoch ist Vorsicht geboten. Das hier verkaufte „Budweiser“ stammt keineswegs aus Tschechien. Das „echte“ Budweiser wird dort als „Czechvar“ verkauft. Vor dem Ersten Weltkrieg gründeten einige tschechische Emigranten in den Vereinigten Staaten eine Brauerei und nannten sie, in Erinnerung an ihre Heimat, „Budweiser“. Bis heute gibt es einen heftigen Rechtsstreit der Marken, der auch dazu geführt hat, dass Budweiser Budvar heute die einzige staatliche Brauerei Tschechiens ist.
Karlovy Vary/Karlsbad
Karlsbad bildet mit Františkovy lázně/Franzensbad und Mariánské lázně/Marienbad das Bäderdreieck. Von Prag aus ist der Kurort am besten mit dem Bus zu erreichen, mit dem Zug fährt man über eine Stunde länger.
Karlsbad hat einen eigenartigen Charakter. Allerorts sieht man reichlich Touristen; als Reiseziel ist der Ort vor allem bei graubehaarten, bierbäuchigen Rentnergruppen aus Deutschland beliebt. Goethe war ja schließlich auch schon hier. Manchmal überkommt einen das Gefühl, hier würde gar niemand mehr wohnen. Beim Stadtrundgang fragt man sich, was die kyrillischen Buchstaben allerorts in den Schaufenstern zu suchen haben. Ist man im falschen Land gelandet? Nein, Karlsbad ist bei wohlhabenden Russen lediglich eine sehr gefragte Wohngegend und der Großteil der Immobilien ist in russischer Hand. Neben dem bedeutenden International Film Festival ist Karlsbad für seine 12 Quellen bekannt. Die größte von ihnen ist der vřídlo (Sprudel), der 72 Grad Celsius heißes Wasser in die Höhe stößt. Traditionell trinkt man das Wasser – vermutlich heilt es besser, als es schmeckt – aus einem „Tschutscherle“, das an jeder Straßenecke erhältlich ist. Neben den Karlsbader Oblaten – hier in der Stadt kann man sie erwärmt genießen – ist der Becherovka eine Karlsbader Berühmtheit. Oft wird er auch als die „13. Quelle Karlsbads“ bezeichnet. Im Jan Becher-Museum erfährt man alles über Geschichte und Entstehung des Kräuterlikörs. Ein beliebtes Mischgetränk ist beton – Becherovka mit Tonic Water.
Ostrava
Ostrava (Ostrau). Weiter östlich geht es in Tschechien nicht. Die Industriestadt liegt genau auf der Grenze zwischen Mähren und Schlesien. Vom Rathausturm aus sieht man bei gutem Wetter bis nach Polen und in die Slowakei. Alljährlich zieht das Musikfestival „Colours of Ostrava“ zehntausende junge Menschen in eine verlassene Industrieanlage. Hier spielen international gefeierte Musiker, darüber hinaus gibt es Theater und ein breites Begleitprogramm.
Mladá Boleslav
Der Škoda ist wohl eines der größten Nationalsymbole Tschechiens. Und tatsächlich: Auf den tschechischen Straßen sieht man gefühlt wesentlich mehr Wagen des böhmischen Herstellers als anderswo. Die höchste Škoda-Dichte gibt es vermutlich – wohl auch bedingt durch die zahlreichen Firmenwagen – in Mladá Boleslav (Jungbunzlau). Hier hat der Automobilkonzern eines seiner Hauptwerke.
Das Škoda-Museum vermittelt einen spannenden Abriss über die Geschichte der Škoda-Autos. 1895 gründeten Václav Laurin und Václav Klement in Mladá Boleslav das Unternehmen. Sie waren mit der Qualität eines deutschen Fahrrades nicht einverstanden und beschlossen, es selbst besser zu machen. 1925 wurde die Firma an Emil Škoda, den Namensgeber, verkauft. Außer dem Museum gibt es freilich nach Voranmeldung auch die Möglichkeit, das Werk zu besuchen.
Abgesehen von der Automobilsparte in Mladá Boleslav produziert Škoda heute in Pilsen unter anderem Schienenfahrzeuge. Auch die neuesten Modelle der Prager Straßenbahn kommen von dort.
Brno/Brünn
Zweieinhalb Zugstunden östlich von Prag liegt Brünn, die „Hauptstadt Mährens“. Mit 380.000 Einwohnern ist es die zweitgrößte Stadt Tschechiens. Die Beziehung zwischen den Bewohner Brünns und den Pragern ist angespannt: Die Prager halten Brünn für eine Provinzstadt, die Brünner werfen den Pragern vor, überheblich zu sein und ihre Stadt niemals zu verlassen. Beide mögen sie ein bisschen Recht haben. In jedem Falle ist Brünn absolut einen Besuch wert! In den letzten Jahren hat sich hier eine hippe Jugendkultur entwickelt. Gut übernachten lässt es sich im Hostel Mitte. In der Mährischen Galerie (Moravská galerie) gibt es bei kostenlosem Eintritt allerlei Kunst zu sehen. Und die von Mies van der Rohe entworfene Villa Tugendhat ist bis heute ein bedeutendes Architekturdenkmal und UNESCO-Welterbe (Voranmeldung erforderlich!).
Litomyšl
Litomyšl (Leitomischl) ist ein beschauliches Städtchen und definitiv eine Reise wert, wenn man den Zauber Mährens erkunden möchte. Neben dem Schloss, das von außen komplett mit Sgraffiti versehen ist und zum UNESCO-Welterbe gehört und dem Portmoneum mit allerlei Kunst und der außerordentlich farbenfrohen Inneneinrichtung von Josef Váchal, kann man hier auch das Geburtshaus Bedřich Smetanas besichtigen.
Seit 2012 wird alljährlich im Frühjahr feierlich die Kursaison eröffnet. Kursaison? In Litomyšl sprudelt keine einzige Quelle mit Heilwasser, es gibt auch keine besonders reine Bergluft oder ähnliches! Stattdessen ernannte man Litomyšl als Marketing-Gag zum „Kurort des Geistes“. Bei der Eröffnung der Kursaison ist auf den Straßen jeder in Kostümen aus den 20er- und 30er-Jahren unterwegs. Alte Drahtesel rollen durch die Gassen und stolze Besitzer polierter Oldtimer treffen sich zur Ausfahrt.
Olomouc
Olomouc (Olmütz), knapp zweieinhalb Zugstunden von Prag entfernt, ist ein guter Start für eine Erkundung Mährens. In der Innenstadt kann man sich gar nicht entscheiden, in welche Straße man einbiegen will, da jede spannend und schön erscheint. Auf dem Marktplatz steht die mittelalterliche Dreifaltigkeitssäule. Die Pestsäule ist seit dem Jahr 2000 UNESCO-geschützt.
České Švýcarsko/Böhmische Schweiz
Die Böhmische Schweiz ist der östliche Teil des Elbsandsteingebirges. Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Region als Ausflugsziel beliebt. Seit 2000 ist die Böhmische Schweiz als Nationalpark geschützt. Ein guter Start für Wanderungen ist der deutsch-tschechische Grenzort Hřensko (Herrnskretschen) direkt an der Elbe. Hier ist man gut auf die Touristen vorbereitet. Reist man mit dem Zug an, fährt man bis Schöna und überquert die deutsch-tschechische Grenze auf der Elbe – mit der Fähre. Das Pravčická brána/Prebischtor, das größte Felstor Mitteleuropas, ist das Wahrzeichen der Region. Der Blick ist einzigartig.
Gedenkstätte Konzentrationslager Theresienstadt
Auf halber Strecke zwischen Dresden und Prag liegt das Städtchen Terezín. Die dortige Festung wurde während der Zeit des Protektorats von den Nazis in ein KZ umgewandelt. Seit 1947 ist das Gelände eine Gedenkstätte.
Gedenkstätte Lidice
Am 27. Mai 1942 gelang es Jan Kubiš und Jozef Gabčík, zwei tschechoslowakischen Fallschirmspringern, ein Attentat auf den Stellvertretenden Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, durchzuführen, der eine knappe Woche später starb. Böhmen und Mähren waren damals zusammen de facto ein Satellitenstaat des Deutschen Reiches. Reinhard Heydrich war der oberste Kopf der Nazi-Administration. Nicht zu Unrecht hatte er den Beinamen „Henker von Prag“. Die Rache der Nationalsozialisten nach dem Attentat umfasste unter anderem die vollständige Vernichtung des Dorfes Lidice unweit von Prag. Der Großteil der Einwohner wurde wahllos hingerichtet. Heute befindet sich am selben Ort eine Gedenkstätte. An der Kirche Sv. Cyrila a Metoděje in Prag, in der Kubiš und Gabčík schließlich zu Tode kamen, findet sich heute eine Gedenkplatte, an der noch die Einschusslöcher von 1942 erkennbar sind.
Burg Křivoklát
Křivoklát ist eine weitere der vielen Burgen Böhmens unweit von Prag. Ein Besuch lohnt vor allem an den Adventswochenenden, wenn auf der Burg ein ganz wunderbarer Weihnachtsmarkt stattfindet.
Schloss Konopiště
Beim Rundgang in diesem wunderschönen Schloss am See in Benešov u Prahy, erfährt man einiges über das Leben des österreich-ungarischen Adels auf ihrem Lieblings-Sommersitz. Darüber hinaus kann man einen Ausschnitt einer reichen Sammlung von Jagdtrophäen bestaunen. An den Wänden finden sich tausende ausgestopfte Tierköpfe. Thronfolger Franz Ferdinand hatte jedes der Tiere selbst erlegt, bevor er in Sarajevo erschossen wurde.
Burg Loket
Die Burg Loket hat ihren Namen von ihrer geographischen Lage. Der beschauliche Ort liegt in einer Kurve der Ohře/Eger, die die Form eines Ellenbogens (loket) hat. Die Burg ist nicht überlaufen und ist gefühlt uneingeschränkt begehbar.
Prag: Am Puls der Stadt
Ferdinand Hausers Reiseführer Prag: Am Puls der Stadt enthält weitere Reiseinformationen sowie viele Tipps und Adressen zu Hotels, Restaurants, Bars und Freizeitaktivitäten, zum Teil von Prager Stadtbewohnern selbst empfohlen.
Ferdinand Hauser lebt und arbeitet in Prag. Er wurde 1995 in Halle (Saale) geboren. Nach dem Abitur verschlug ihn ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Tschechien. Er lebte und arbeitete in einem Altersheim in Hostivice, einem Vorort von Prag, und verliebte sich Hals über Kopf und über beide Ohren in die tschechische Hauptstadt. Er studierte Westslawistik mit Schwerpunkt Tschechisch an der Universität Leipzig und der Karls-Universität Prag.