Key West und Kuba – so nah und doch so fern

Der Blick auf die Landkarte zeigt es klar und deutlich: von Key West ist es nach Kuba näher als nach Miami – vom Rest des Staates und der USA ganz zu schweigen. Und ständig stolpert man in Key West über Kubanisches. Ein Teil der Bevölkerung stammt von Einwanderern ab, die schon im 19. Jahrhundert aus Kuba hierher kamen. Sie brachten neben ihrer Sprache und der kubanischen Küche die Zigarrenproduktion auf die Insel, von der lange Jahre viele Bewohner lebten. Bis heute werden in Läden wie dem Cuba! Cuba! (155 Duval Street) kubanische Souvenirs verkauft. Der Tabak für die »kubanischen « Zigarren, die man überall erstehen kann, kommt allerdings nicht aus Kuba, sondern wegen des strengen Einfuhrverbots für kubanische Produkte meistens aus Honduras.

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Key West: 90 Meilen bis Cuba; CC0

Wer heute durch die Straßen von Key West schlendert, wird kaum vermuten, wie eng diese südlichste Stadt der kontinentalen USA einst mit Kuba verflochten war – nicht nur geografisch, sondern auch verkehrstechnisch, wirtschaftlich und kulturell. Vor der kubanischen Revolution galt Key West als wichtiges Drehkreuz für die Reise ins karibische Nachbarland – mit Fähren, Flügen und lebendigem Austausch zwischen den beiden Ufern der Meerenge.

Eine Brücke über das Meer

Bis in die 1950er-Jahre legten am Nordende des Mallory Square regelmäßig Autofähren nach Havanna ab. Die „Havana Docks“ waren Ausgangspunkt für Fahrzeuge, Passagiere und Waren, die in rund sieben Stunden die 90 Meilen über die Florida-Straße zurücklegten. Dreimal pro Woche verkehrten diese Fähren, die neben Autos auch Lastwagen und Touristen beförderten – in einer Zeit, in der internationale Reisen mit dem eigenen Fahrzeug noch als spektakulär galten.

Der Flugverkehr war kaum weniger visionär: Bereits im Oktober 1927 startete die erste internationale Flugverbindung der Vereinigten Staaten in Key West – nach Havanna. Betrieben wurde sie von der damals neu gegründeten Pan American Airways, die ihr erstes Büro in Key West unterhielt. Der Flug mit einer kleinen Propellermaschine markierte einen Meilenstein in der Luftfahrtgeschichte und festigte die Verbindung zwischen den beiden Städten.

Literarische Nähe

Die kulturelle Strahlkraft Havannas und die besondere Atmosphäre Key Wests führten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem regen geistigen Austausch. Zahlreiche US-Autoren ließen sich in Key West nieder – nicht zuletzt wegen der Nähe zu Kuba. Ernest Hemingway war der bekannteste unter ihnen. Von 1931 bis 1939 lebte er in Key West, bevor er auf die Finca Vigía bei Havanna zog, wo er einige seiner bedeutendsten Werke schrieb.

Auch Tennessee Williams, einer der großen Dramatiker der amerikanischen Literatur, war in Key West zu Hause. In den späten 1950er-Jahren reiste er nach Havanna und traf dort Fidel Castro – nicht aus politischem Interesse, sondern aus Faszination für die dramatischen Umbrüche jener Jahre. Beide Schriftsteller sahen in Kuba nicht nur ein Exil, sondern auch eine Projektionsfläche für existenzielle Themen – von Machismo über Verfall bis zur Nähe zum Tod.

Der Bruch nach der Revolution

Mit der kubanischen Revolution 1959 und der anschließenden Machtübernahme durch Fidel Castro endete die enge Verbindung abrupt. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba wurden Anfang der 1960er-Jahre eingestellt, die Fährverbindungen gestrichen, der Flugverkehr verboten. Aus der einstmals offenen Nachbarschaft wurde eine politische Frontlinie im Kalten Krieg.

Doch in Key West blieb das Bewusstsein für die Nähe zu Kuba lebendig – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. In den 1980er-Jahren, als die US-Marine ihre Präsenz auf der Insel stark reduzierte, befürchtete man massive Arbeitsplatzverluste. Der damalige Bürgermeister Charles „Sonny“ McCoy setzte ein spektakuläres Zeichen: Er überquerte die Straße von Florida auf Wasserskiern – begleitet von einem Boot der Küstenwache – um symbolisch an die historische Verbindung zu Kuba zu erinnern und Washington auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen.

Hoffnung auf Öffnung – Sorge vor Konkurrenz

Seit den 2010er-Jahren wird immer wieder über eine Normalisierung der Beziehungen diskutiert. Ein Ende des Embargos und die Wiederaufnahme der Fährverbindung stehen regelmäßig im Raum. In Key West ist man jedoch gespalten. Die einen hoffen auf neue Chancen für den Handel und den Austausch. Andere sehen in einem offenen Kuba eine ernsthafte Konkurrenz: Preiswerter, exotischer und mit mehr Platz lockt die Insel Touristen, die Key West bisher als „exotisches Ende der USA“ erlebt haben.

Die Sorge ist nicht unbegründet: Sollte sich Havanna zu einem attraktiven Reiseziel für US-Amerikaner entwickeln, könnte Key West seinen Status als Endpunkt touristischer Sehnsucht verlieren und zur bloßen Durchgangsstation auf dem Weg nach Kuba werden – ähnlich wie in den 1950er-Jahren. Die lokale Tourismuswirtschaft müsste sich auf neue Bedingungen einstellen. Zwar könnte eine neue Fährverbindung für frischen Verkehr sorgen, doch ob das wirtschaftlich kompensiert, was an Exklusivität verloren geht, bleibt offen.

Ausblick

Key West und Kuba teilen mehr als nur geographische Nähe. Die Geschichte der beiden Orte ist untrennbar miteinander verwoben, durchzogen von Politik, Literatur, Migration und Widersprüchen. Die Zukunft dieser Beziehung hängt nicht nur von internationalen Abkommen ab, sondern auch von der Fähigkeit, Vergangenheit produktiv für eine neue Rolle zu nutzen – als Scharnier, nicht als Relikt einer verlorenen Welt.