Situation
Über eine besonders große Zahl erstklassiger Museen verschiedenster Art verfügen New York, Boston, Chicago, Toronto, Ottawa und Montréal. Auch Detroit und Buffalo bietet in dieser Beziehung einiges. Nicht zu vergessen sind die beachtlichen Kunsttempel vieler Universitäten und Colleges (Harvard, Yale, Williamstown, Dartmouth).
Um die Leute ins Museum zu locken, hat man sich vielerorts einiges einfallen lassen, sowohl bei der Thematik als auch bei der Art der Präsentation. Dass dies beim Publikum ankommt, zeigt die hohe Besucherzahl.
Im folgenden werden alle wichtigen in Nordamerika existierenden Museumstypen kurz charakterisiert.
Kunstmuseen
Es ist kaum zu glauben, was sich in Amerika im Laufe der Jahrhunderte an Schätzen aus aller Welt angesammelt hat. Vor allem die Kunst der Alten Welt von Ägypten und Rom über das Mittelalter bis zum Europa um 1900 ist quantitativ und qualitativ bestens vertreten. Natürlich sind auch die Werke kanadischer und amerikanischer Künstler in den Galerien beider Länder zu sehen.
Das enorme Museum of Modern Art (MOMA) und das Guggenheim Museum in Manhattan sind jedem ein Begriff, weniger aber das beachtliche Dia Beacon nördlich von New York City am Hudson River. Auch die Art Gallery in Toronto (größte Henry Moore-Sammlung der Welt), die National Gallery of Canada in Ottawa (große Abteilung kanadischer Kunst), das Museum of Fine Arts in Boston, das riesige Art Institute in Chicago und die Albright Knox Art Gallery in Buffalo gehören zur Extraklasse nordamerikanischer Kunstmuseen.
Stiftungen
Kleinodien bilden private Sammlungen, die nach dem Tod vermögender Stifter zu öffentlichen Museen umgewandelt wurden. Beste Beispiele dieser Art sind das extravagante Isabella Stewart Gardner Museum in Boston und die McMichael Gallery in Kleinburg bei Toronto.
Kunst im Freien/Skulpturen
Zur Auflockerung der City-Landschaft setzt man auch in Amerika die schönen Künste ein. Sei es durch die Gestaltung von Vorplätzen, Hallen und Miniparks zwischen Hochhäusern, durch das Aufstellen eigens angefertigter Kunstwerke oder beides.
Chicago ist stolz auf die Plastiken weltberühmter Künstler wie Picasso, Debuffet, Miró und Chagall in den Häuserschluchten des Loop im alten Zentrum der Stadt. Bemerkenswerte Skulpturen stehen auch in der McGill College Street in Montréal.
Historische Museen/Indianer
Alle Bundes- und Provinz-Hauptstädte besitzen ein Museum of History, das die Geschichte der Region von den Anfängen der weißen Besiedelung bis heute beleuchtet. Häufig wird auch den Indianern (jetzt als First Nation bezeichnet) und Eskimos (Inuit) angemessen Raum gewidmet, wie im ausgezeichneten Canadian Museum of Civilization in Gatineau (bei Ottawa).
Naturkundemuseen
Auch die Museen für Natural History beschäftigen sich neben den geologischen Gegebenheiten, dem Klima und der Flora und Fauna mit den Lebensbedingungen und der Kultur der indigenen Völker, z.B. das Field Museum of Natural History in Chicago, das Peabody Museum of Archeology and Ethnology in Cambridge/ Massachusetts und das Museum of Natural History in Halifax (Nova Scotia).
First Nations
Auch kleinere Einrichtungen wie das Abbé Museum im Acadia NP und Cultural Centers auf vielen indianischen Territorien stellen altes und neues Kunsthandwerk aus, so z.B. auf Manitoulin Island/Ontario. Lohnenswert auch das Musée Premiérs Nations in Wendake bei Quebec City – untergebracht in einem modernen Longhouse.
Anti-Kriegsmuseum
In Ottawa befindet sich das eindrucksvolle, dem Thema Krieg und Frieden gewidmete War Museum, das eher ein Anti-Kriegs-Museum ist.
Science Center
Wie kreativ und spannend Museen sein können, wird besonders in den Science Centers deutlich. In diesem Museumstyp werden Phänomene aus Wissenschaft und Technik über Experimente nähergebracht, an denen man selbst teilnimmt bzw. sie auslöst. Sehr gut sind das Ontario Science Centre in Toronto und Science North in Sudbury, ferner das Boston Museum of Science.
Industriemuseen
Die Aufarbeitung der industriellen Vergangenheit (wissenschaftlich und soziologisch) wird an vielen Orten geleistet; umfassend im Ford Museum in Detroit, hervorragend in Lowell/Massachussetts, einer der ersten Industriestädte des Kontinents, sowie in Shawinigan/Quebec, wo die Bedeutung der Elektrifizierung – mit einigen Show-Effekten – gezeigt wird. Akademischer ist das MIT Museum in Cambridge/Massachussetts.
Children’s Museum
Dem Prinzip »Mitmachen« und »Mitdenken« (hands-on/minds-on) folgen auch die hier und dort zu findenden Museen für Kinder. Kinder werden spielerisch in viele Bereiche der Umwelt eingeführt, sei es kulturell, sozial oder technisch. Auch für Erwachsene kann der Besuch in einem Children’s Museum, z.B. in Boston oder Chicago, ein Gewinn sein. Man staunt, was da alles zu erfahren ist.
Maritime Museum
Überall, wo Schiffahrt eine Rolle spielte und spielt – an den Großen Seen, am St. Lorenz-Strom und Kanälen und natürlich an der Atlantikküste – gibt es maritime Museen, die sich mit unterschiedlichsten Aspekten der Seefahrt, des Seehandels (Peabody Museum in Salem), des Bootsbaus (Bath/Maine), des Fisch- und Hummerfangs (in Lunenburg/Nova Scotia) usw. befassen. Oft gehören nostalgische Schiffe zum Bestand.
Im Freilichtmuseum Mystic Seaport/Connecticut sind Seefahrt und -handel und die damit verbundenen Gewerbe besonders authentisch und lebendig dargestellt; dort liegt eine Reihe besonders schöner alter Schiffe am Kai, unter Anderen auch einen Nachbau der Amistad.
An der Atlantikküste räumen viele maritim orientierte Museen dem Walfang breiten Raum ein. Die Whaling Museums in New Bedford und Nantucket (Massacusetts) sind die besten ihrer Art.
Viele Küstenorte haben ein Aquarium. Besonders lohnend sind die großen Komplexe in Chicago und Boston. Kleinere Aquarien findet man z.B. im Acadia National Park in Maine, im Mystic Seaport/Connecticut und in Niagara Falls/New York State.
Zoologische Gärten
Wie die Museen wurden in Amerika auch die Zoos in vielen Fällen nach neuen Konzepten gestaltet. Ganz ausgezeichnet sind der Zoo in Toronto , New York (Bronx) und der Biodôme in Montréal, eine Mischung aus Zoo und Botanischem Garten.
Spezialmuseen
Fast jede Stadt, jeder Landstrich hat – vor allem in den USA – eine Besonderheit aufzuweisen. Wer sich z.B. für Geschichte und Herstellung des Maple Syrup interessiert, erfährt darüber alles in Pittsford/Vermont. Einige Kilometer weiter in Proctor ist Marmor das Thema. Und wer schon immer über die sozio-kulturelle Bedeutung von Schuhen aufgeklärt werden wollte, ist richtig im Bata Shoe Museum in Toronto.
Über die Mennonites und Amish People kann man in St. Jacobs/Ontario alles in Erfahrung bringen, über die Acadians in Bonaventure/Québec. Einige Museen sind spezialisiert auf echt Amerikanisches, seien es alte Autos, Eisenbahnwaggons, Fahnen und Waffen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg oder Kunstwerke aus Glas (z.B. Heritage Plantation, Sandwich/Massachusetts, Bennington Museum/Vermont). Spitze in dieser Hinsicht ist das Shelburne Museum/Vermont.
Living Museum
Im Osten Canadas und in Neuengland gibt es eine ganze Reihe »Lebender Museen«, deren – gewöhnlich nicht so aufwendige – Variante bei uns als Museumsdorf bezeichnet wird.
In wiederaufgebauten und/oder liebevoll restaurierten authentischen Dörfern oder in Militär- und Handelsforts aus dem 19. Jahrhundert wird während der Touristensaison die Rolle der früheren Bewohner von Ortsansässigen und Studenten übernommen und in zeitgenössischer Kleidung lebensecht nachgespielt.
Oft beschränkt man sich nicht nur aufs »Schauspiel«, sondern fertigt tatsächlich Fässer, Boote, Lederkleidung und manches mehr auf alte Art. Einige dieser Komplexe werden ganz normal bewohnt und alternativ bewirtschaftet. Musik- und Kriegsspektakel in alten Uniformen, bei denen manchenorts nicht nur paradiert, sondern »gemetzelt und geschossen« wird, gehören in vielen Anlagen zum Programmm.
Die besten lebenden Museen
Die besten lebenden Museen sind die Plimoth Plantation/Massachusetts, die ein Dorf der ersten Siedler zeigt, das Old Sturbridge Village/Massa chusetts, das Upper Canada Village bei Morrisburg/Ontario und Kings Landing Historical Settlement bei Fredericton/New Brunswick. Die letzteren thematisieren das dörfliche Leben englischer Kolonisten bzw. der Amerikaner im 19. Jahrhundert. Die Fortress Louisbourg auf Cape Breton/Nova Scotia, ist eine beeindruckende Festung und Kleinstadt aus dem 18. Jahrhundert. Das Fort Colonial Michilimackinac mit Dorf bei Mackinaw City in Michigan und die Missionsstation St. Marie among the Hurons (1639) an der Georgian Bay in Ontario sind ebenfalls sehenswert.
Halls of Fame
Sportmuseen heißen im Amerika Hall of Fame, wörtlich: »Halle der Berühmtheit«. Solche Sporttempel erfreuen sich bei Fans großer Beliebtheit. Da sind z.B. die Tennis Hall of Fame in Newport/Rhode Island, die Hockey Hall of Fame/Toronto, Horse Racing Hall of Fame/Saratoga Springs und die Baseball Hall of Fame/Cooperstown, letztere beiden in Upstate New York. Es muss aber nicht immer Sport sein. Ganz hervorragend ist z.B. die Rock’n Roll Hall of Fame in Cleveland.
Universitäten
Auf den Campus-Komplexen der berühmten Ivy League Universities in Neuengland finden sich oft gleich mehrere museumsartige Sammlungen. Ein Besuch lohnt sich oft allein schon wegen ihrer bemerkenswerten Lage und Anlage. Die älteren, teils Oxford- und Cambridge-Vorbildern nachempfundenen Gebäude inmitten grüner Parks sind tatsächlich in vielen Fällen mit Efeu (Ivy) bewachsen. Einige beherbergen große Kunstsammlungen, gespendet von vermögenden Alumni (ehemaligen Studenten).
Harvard und Yale haben im amerikanischen Osten die größten Sammlungen, aber auch kleinere nicht minder feine Universitäten, z. B. Dartmouth in Hanover/New Hampshire und Williamstown/Massachusetts bieten mit ihren Kunstsammlungen einiges. Mehrere wissenschaftliche Museen und Bibliotheken sind ebenfalls sehenswert. In den meisten der teuren Eliteanstalten gibt es Führungen durch den Universitätskomplex.