Nicht einmal die Römer haben im Altertum Kultur und Geschichte von Ibiza so nachhaltig beeinflusst wie die Phönizier.
Phönizien – auf griechisch Phoinike, was in etwa »Land des Purpurs« bedeutet – lag im Bereich der heutigen Staaten Libanon, Syrien und Israel. Der Volksstamm der Phönizier, dessen Herkunft ungeklärt ist, wanderte vermutlich gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. in dieses Gebiet ein und stand bis um 1200 v. Chr. unter dem kulturellen und politischen Einfluss Ägyptens.
Seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. machten sich die Phönizier als Seefahrer und Kaufleute einen Namen und beherrschten bald den Handel im Mittelmeer. Sie gründeten Niederlassungen an den Küsten Südspaniens und Nordafrikas, auf den Inseln Sizilien, Malta und auch auf den Balearen. Ibiza und Formentera wurden schon damals zu wichtigen Salzlieferanten.
Gleichzeitig verbreitete sich die phönizische Kultur und mit der Buchstabenschrift auch die wichtigste kulturelle Errungenschaft Phöniziens im gesamten Mittelmeerraum. Sie ist Grundlage fast aller bekannten Schriftsysteme des Abendlandes. 814 v. Chr. gründeten sie die Stadt Karthago (nahe dem heutigen Tunis) als Stützpunkt für ihre Schiffe im westlichen Mittelmeer. Die Bezeichnung »Karthager« wurde zum Synonym für Phönizier.
In den folgenden Jahrhunderten verloren die Phönizier ihre Vormachtstellung im östlichen Mittelmeer nach und nach an die Griechen, und Phönizien wurde von den Assyrern besetzt. Karthago und sein Umland (heute Tunesien) entwickelten sich zum neuen phönizischen Staat. Etwa 700 v. Chr. gründeten die Karthager mit Ebysos (bei Sa Caleta) ihren ersten Stützpunkt auf den Pityusen, und schon ab 654 v. Chr. entstand die Stadt Ibosim auf der Anhöhe der heutigen Dalt Vila Eivissas.
Die Mythologie der Phönizier kannte mehrere Gottheiten. Neben dem höchsten Gott El gab es u.a. Stadtgötter. Der Stadtgott von Ibosim (Eivissa) nannte sich Bes. In Karthago spielte der (unersättliche!) Gott Moloch eine Rolle, dem Kinder der Adligen rituell geopfert werden mussten. Eine weibliche Gottheit, der man die Kraft der Liebe und der Fruchtbarkeit, aber auch der Zerstörung und des Todes zusprach, hieß Astarte. In Karthago und auf den Pityusen wurde daraus später Tanit.
Nachdem die Römer Süditalien erobert hatten, begann der Kampf zwischen Rom und Karthago um die Vorherrschaft im westlichen Mittelmeer. Die Römer nannten ihre Konkurrenten Poeni, in deutscher Übersetzung »Punier«. Im ersten Punischen Krieg (264-241 v. Chr.) gingen bereits Teile des punisches Reiches verloren. Am Ende des zweiten Punischen Krieges im Jahre 201 v. Chr. hatten die Phönizier – trotz großer militärischen Zwischenerfolge des berühmten Hannibal, der mit Elefanten die Alpen überquerte – ihr Kriegs- und Handelsflotte und alle außerafrikanischen Besitzungen einschließlich der Pityusen an die Römer verloren. Die Stadt Ibosim konnte zwar noch 23 Jahre über das Ende Phöniziens hinaus – im dritten Punischen Krieg (149-146 v. Chr.) zerstörten die Römer Karthago, und das Hinterland avancierte zur römischen Provinz »Africa« – eine gewisse Unabhängigkeit bewahren, wurde aber 123 v. Chr. ins Römische Reich integriert.