Am 29. Mai 2012 unternahm Suu Kyi nach 24 Jahren ihre erste Auslandsreise, die sie nach Bangkok führte. Im Rahmen des dort stattfindenden Wirtschaftsforum war ein Besuch eines Lagers myanmarischer Flüchtlinge im Grenzgebiet geplant, außerdem wurde sie zu einer Podiumsdiskussion eingeladen – das war für Staatspräsident Thein Sein Grund genug, seine Teilnahme am Wirtschaftsforum abzusagen.
Am 13. Juni 2012 startete Suu Kyi in der Schweiz ihre rund zweiwöchige Europareise: In Genf beteiligte sie sich an einer Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Zwangsarbeit und die Gewerkschaften in Myanmar. In Bern erfolgte ein Treffen mit Außenminister Didier Burkhalter und Präsidentin Eveline Widmer-Schlumpf. Die Dankesrede für den ihr in Abwesenheit bereits 1991 verliehenen Friedensnobelpreis hielt sie am 16. Juni in Oslo – im Mittelpunkt stand ihre Bitte um eine koordinierte Hilfe bei den Reformen in ihrer Heimat. Am 21. Juni spricht die Oppositionsführerin im britischen Unterhaus – was seit dem 2. Weltkrieg übrigens erst fünf Ausländer getan hatten. Auch in dieser Rede warb sie um Unterstützung für die demokratischen Reformen in Myanmar.
Im August 2012 wurde mitgeteilt, dass die Friedensikone künftig den Parlamentsausschuss für Rechtsstaatlichkeit und Frieden leitet – das Parlament bestimmte sie zur Vorsitzenden des Gremiums.
Ende September 2012 gewährte sie im Rahmen eines BBC-Interviews einen seltenen Einblick in ihr Privatleben: „Ich wünschte, ich hätte mit meiner Familie zusammen sein können. Ich wünschte, ich hätte meine Söhne aufwachsen sehen können.“ Auf privater Ebene hätte sie die Trennung – infolge des Hausarrestes – bedauert, aber an der Entscheidung zugunsten ihres Volkes niemals gezweifelt. Ihren jüngsten Sohn Kim hatte sie übrigens 12 Jahre nicht sehen können – der Aufbau einer Beziehung soll über die Musik gelungen sein, Kim habe vor allem Bob Marley gehört.
Im November 2012 bedankte sich Obama bei einem Staatsbesuch auch persönlich bei der Friedensnobelpreisträgerin für ihr Engagement - sein insgesamt sechsstündiger Aufenthalt in Myanmar war ein historisches Ereignis: Es war das erste Mal, dass ein US-amerikinascher Präsident das jahrzehntelang von Militärs beherrschte Land besuchte.
Im Rahmen des ersten Parteitages in der 25-jährigen Geschichte der NLD wurde Aung San Suu Kyi am 10. März 2013 einstimmig von den 120 Delegierten des Zentralkomitees zur Parteivorsitzenden erklärt.
Die lange als unantastbar geltende Oppositionsführerin gerät jedoch zunehmend unter Kritik – zunächst deshalb, weil sie sich niemals öffentlich zum Schicksal der im Westen des Staates unterdrückten Minderheit Rohingya geäußert hat. Im Januar 2013 muss sie sich seitens der britischen „Times“ außerdem den Vorwürfen stellen, dass sie und ihre Partei Spenden von mutmaßlichen Waffenhändlern erhalten hätten. Die Informationen dazu sollten aus der Partei stammen. Bis zu einem gewissen Grad räumte sie die Zahlungen sogar ein. Viele irritiert sie außerdem mit den Avancen, die sie den Militärs macht – dabei könnte allerdings mehr mitspielen: Die Friedensaktivistin benötigt nämlich das Militär, um eine Änderung der Verfassung durchzusetzen, die ihr den Zugang zum Präsidentenamt ermöglichen könnten: Als Mutter zweier Söhne mit britischem Pass bleibt ihr derzeit eine Kandidatur für das höchste Staatsamt verwehrt.
Am 22. Oktober 2013 nimmt sie 23 Jahre nach ihrer Auszeichnung den Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit im EU-Parlament in Straßburg entgegen.
Ende 2013 erklärte sich die Regierungspartei USDP übrigens einverstanden, die Verfassung zu ändern, nach der niemand ebenso aus der entfernteren Verwandtschaft eines Kandidaten für das Präsidentenamt eine ausländische Staatsbürgerschaft haben darf – dies soll jetzt, zugunsten der Oppositionsführerin, auf die engste Familie beschränkt werden. Laut dem Vorschlag der USDP müssten die Söhne Suu Kyis ihren britischen Pass abgeben und die burmesische Staatsbürgerschaft annehmen, um ihr eine Bewerbung um das Präsidentenamt zu ermöglichen. Bislang gab es dazu allerdings keine offizielle Äußerung vonseiten der NLD, es hieß, man müsse den Vorschlag erst prüfen.
Am 8. November 2015 gewann die NLD unter Suu Kyis Führung bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit der Sitze und wählte im März 2016 ihren engen Parteifreund Htin Kyaw mit Unterstützung einiger Splitterparteien mit einer Zweidrittel-Mehrheit zum Präsidenten. Aung San Suu Kyi wurde unter Umgehung des Verbots als "Staatsberaterin" tatsächliche Regierungschefin, Ministerin des Präsidentenbüros und Außenministerin von Myanmar.
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