Die Inder

Die letzte Gruppe, die hier behandelt werden soll, ist aus Indien nach Myanmar gekommen (dabei beziehe ich mich auf das ungeteilte Indien vor der Unabhängigkeit, das Pakistan und Bangladesch einschloß). Die meisten Inder wurden während der Kolonialherrschaft von den Briten ins Land geholt oder zur Einwanderung ermutigt. Je nachdem, ob sie eine schlechte oder eine gute Schulbildung besaßen, nahmen die einen niedrige Arbeiten an oder dienten im Kolonialheer, während die anderen Händler, Pfandleiher, Landbesitzer, Rechtsanwälte und Ärzte wurden. Die Pfandleiher machten glänzende Geschäfte. Ihre besten Kunden waren burmesische Bauern, die ihnen ihre Höfe als Pfand abtreten mußten, wenn sie das geliehene Geld nach einer schlechten Ernte nicht zurückbezahlen konnten.
Als Burma unabhängig wurde, gehörten zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes der indischen Gemeinschaft. Aus Angst, die verarmten, um ihren Besitz gebrachten einstigen Bauern, die sich dem Heer der Arbeitslosen in den Städten angeschlossen hatten, könnten im Zuge der Unabhängigkeit Rache üben, verließen viele Inder um diese Zeit das Land. Als Ne Win 1962 die demokratisch gewählte Regierung absetzte, mußten wegen der weit verbreiteten Ressentiments der ethnischen Burmanen noch einmal viele Inder gehen. Von denen, die bis heute in Myanmar leben, sind manche Hindus, andere Muslime. Die Hindus haben gewöhnlich die bessere Schulbildung und folglich die besseren Positionen. Ein guter Teil der Muslime gehört zu den ärmsten Schichten der burmesischen Bevölkerung.
Harte körperliche Arbeiten sind ihre Jobs – als Rikschafahrer, Hilfsarbeiter oder Träger an Eisenbahnstationen. Im Jahr 1989 beschloß die Militärregierung, dem Land einen neuen Namen zu geben, der all die hier genannten und nicht genannten Minderheiten symbolisch einbeziehen sollte und mit dem sich alle gleichermaßen identifizieren könnten. In der Vergangenheit hatten die Burmesen zwei Namen für ihr Land benutzt, Bamah oder Bamar (von den Briten in Burma, von den Deutschen in Birma verwandelt) und Myanmar oder Myanma. Die Generäle entschieden sich nun für Myanmar, den Namen eines früheren Königreichs, das fast alle heutigen Gebiete umfaßt hatte. Aber der neue Name brachte ein Problem mit sich, denn die Herrscher des Königreichs Myanmar waren Burmanen gewesen und nicht Shan, Mon oder Kachin.

Die Namensänderung von 1989 hat im Ausland beträchtliche Verwirrung hervorgerufen. Offiziell ist der Bürger von Myanmar jetzt ein Myanmar. Die übrige Welt ist aber bei den alten Bezeichnungen geblieben, wonach alle Bürger des Landes ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft Burmesen sind – ein Begriff, der sich auf ihre Staatsangehörigkeit bezieht. Die größte ethnische Gruppe unter ihnen sind die Burmanen, die im zentralen Teil des Landes wohnen, deren Sprache Nationalsprache ist, die weitgehend die Geschichte und Kultur des Landes geformt haben und heute die politische Führung bilden. Im nächsten Kapitel wollen wir uns deshalb der Geschichte und der Politik zuwenden.

 

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