Aung San wurde 1915 – während des Ersten Weltkriegs und 30 Jahre nach der Annexion Burmas durch die Briten – als Sohn ethnischer Burmanen geboren. 1934 begann er sein Studium an der angesehenen Universität von Rangun. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Widerstand gegen die Briten in den von Burmanen bevölkerten Gebieten schon beträchtliche Ausmaße angenommen, und viele waren bei Aufständen getötet worden.
Als Generalsekretär des Studentenverbandes und Herausgeber der Studentenzeitschrift Oway führte Aung San 1936 gemeinsam mit dem späteren Premierminister U Nu einen Streik der Studentenschaft an und wurde Mitglied einer Gruppe junger Intellektueller, die sich zu der Widerstandsbewegung Dobana Asi-ayon (We Burmans Association) zusammengeschlossen hatten. Sie selbst nannten sich Thakin. Obwohl sie sich, erstaunlich genug, nach dem Vorbild der irischen Befreiungsbewegung Sinn Fein organisierten, war ihr ideologischer Wegweiser die Philosophie von Marx und Engels.
Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde den Briten bewusst, dass sie sich in Burma weder eine feindselige Bevölkerung noch einen Kolonialkrieg leisten konnten. Doch die britischen Angebote, dem Land einen anderen Status zu geben, waren offensichtlich nur dazu bestimmt, die Burmesen zu besänftigen, und so weit von der vollen Unabhängigkeit entfernt, dass die Nationalisten sie ablehnten. In der Folge wurden 1940 viele ihrer Führer festgenommen. Aung San, der 1938 seinen Hochschulabschluss gemacht hatte, konnte einer drohenden Verhaftung entgehen, indem er sich unter den Schutz der japanischen Besatzungsmacht in China rettete. Von dort brachten ihn japanische Agenten nach Tokio. Nachdem er von den Japanern ein erstes Training bekommen hatte, wurde er von ihnen wieder nach Burma eingeschleust. Kurz danach ergriff er abermals die Flucht: Mit neunundzwanzig anderen Thakin – darunter U Ne Win und zwei Führer der kommunistischen Partei, U Than Tun und U Soe – floh er auf die Insel Hainan, wo sich die Thirty Comrades einer japanischen Militärausbildung unterzogen. Anschließend organisierte Aung San – wiederum mit Hilfe des japanischen Militärs – die Burmesische Unabhängigkeitsarmee (BIA). Er sollte sich nicht nur als fähiger Truppenkommandant erweisen, sondern auch als geschickter und erfolgreicher Vermittler.
Es gelang ihm, die verschiedenen politischen Parteien (einschließlich der Kommunisten) in einer einzigen politischen Organisation zu vereinigen, dem so genannten Freedom Bloc. Die Thakin kehrten 1942 mit der japanischen Armee nach Burma zurück. Noch im selben Jahr heiratete Aung San eine junge burmesische Krankenschwester christlichen Glaubens, mit der er drei Kinder hatte. Der erste Sohn kam bei einem Unfall ums Leben, der zweite emigrierte später in die USA, und das dritte Kind, ein Mädchen, sollte eines Tages die Opposition gegen dieselbe burmesische Armee anführen, die ihr Vater während des Unabhängigkeitskampfes gegründet hatte.
Nachdem die Streitkräfte der Alliierten 1942 geschlagen und vertrieben worden waren, gab Japan den Burmesen 1943 nominelle Unabhängigkeit. Aber die neue burmesische Führung – mit Aung San als Verteidigungsminister – erkannte bald, daß sie sich ein trojanisches Pferd ins Land geholt hatte, daß die japanische Armee voller Hochmut war und Greueltaten an der Bevölkerung beging. Schließlich nahmen die burmesischen Führer Verbindung zu Feldmarschall Sir William Slim auf, und im April 1945 wurde das Ergebnis der Geheimgespräche offenbar: Die burmesische Armee wechselte zu den Alliierten über. Als der Krieg zu Ende war, kamen Aung Sans Vermittlungsfähigkeiten abermals zur Geltung. Wieder war es sein Werk, die diversen politischen Gruppen inklusive Kommunisten in einer einzigen neuen Partei zu vereinigen: Der Anti-Fascist People’s Freedom League (AFPFL), die Burmas Politik noch lange nach der Unabhängigkeit bestimmen sollte. Aber inzwischen war Burma entlang der ethnischen Grenzen zutiefst gespalten, vor allem, weil einige Minderheiten – wie die Shan, die Karen und die Kachin – gleich, von Kriegsbeginn an, auf der Seite der Briten gekämpft hatten: Sie hatten sich erhofft, Großbritannien würde ihnen Unabhängigkeit von Burma garantieren. Wieder hing die Zukunft des Landes von Aung Sans Verhandlungsgeschick ab. Zuerst stellte er in Diskussionen mit dem britischen Premierminister Atlee die volle Unabhängigkeit für ein ungeteiltes Burma sicher. Dann organisierte er mit Sao Shwe Thaike, dem Sawbwa von Yawnghwe (heute Nyaungshwe), einem Shan Fürsten, eine Konferenz mit einigen der wichtigsten ethnischen Gruppen in der kleinen Stadt Panglong im Shan Staat, wo Burmanen, Shan, Kachin und Chin übereinkamen, gemeinsam die Union of Burma zu bilden.
Das Abkommen von Panglong hatte jedoch zwei wesentliche Mängel, denn erstens räumte es den Shan das Recht ein, nach Ablauf von 10 Jahren aus der Union auszuscheiden, und zweitens lehnten die Stämme der Karenni und Karen von vornherein ab, ihr beizutreten.
Aber nicht alle Flügel der AFPFL waren mit dem Ergebnis der britisch-burmesischen Unabhängigkeitsverhandlungen zufrieden. Die Kommunisten brachen mit der Partei, gingen in den Untergrund und führten zuletzt von der burmesisch-chinesischen Grenze aus bis 1989 einen langwierigen Krieg gegen die Zentralregierung.
Im Juli 1947 änderte ein tragisches Ereignis den Lauf der burmesischen Geschichte. Aung San, faktisch schon Oberhaupt der Nation, und die meisten seiner Kabinettsmitglieder wurden in ihrem Sitzungssaal von einem Todeskommando erschossen, das ein politischer Rivale angeheuert hatte. Am 4. Januar 1948 wurde Burma ein unabhängiger und souveräner Staat, dessen erster Premierminister einer von Aung Sans engsten Gefährten war: Thakin Nu, ein Politiker. Thakin Ne Win, der Soldat, wurde nach einiger Zeit Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber der Armee. Diese drei Männer haben die burmesische Politik von den frühen Vierziger- bis in die späten Achtzigerjahre beherrscht. Aber einer von ihnen, Bogyoke Aung San, ragt als der wahre Held der Nation weit über die beiden anderen hinaus. Sein früher Tod – er war erst 32 Jahre alt – ist die große Tragödie Myanmars, das mit ihm seine Leitfigur verloren hat. Wie ein alter Burmese einmal zu mir sagte: „Wir sind ein Volk ohne Vater.”
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