"Der Notfall" von Gyo Zaw

Wie immer stapelte sie zehn Ziegelsteine aufeinander und setzte sie auf ihren Kopf. Dann drückte sie ihre gebeugten Knie durch und stand auf. „Oh Buddha, Buddha!“
Mit der rechten Hand drückte sie sich am Ziegelstapel ab um hochzukommen. Mit der linken Hand balancierte sie die Ziegelsteine auf ihrem Kopf aus, damit sie nicht herunterfielen. Noch wagte sie nicht, die zugekniffenen Augen wieder zu öffnen. Die Füße leicht auseinandergestellt, machte sie ihren Körper ganz gerade. Aus ihrem Bauch stieg ein heftiges Gefühl von Übelkeit auf. Keine Ahnung, wo der viele Speichel herkam. Sie musste ihn mit Gewalt energisch runterschlucken. Wenn sie jetzt ausspuckte, würde sie sich übergeben müssen. „He, Htay Htay, was ist denn?“ hörte sie ihren Mann Taik Maung fragen, der in einiger Entfernung Zement anrührte.
„Ach, gar nichts. Mir war nur gerade kurz ein bisschen schwindelig.“ Die ersten Schritte waren noch sehr unsicher und schwankend. Sie biss auf ihre Unterlippe und nahm alle Kraft zusammen.
auf der Baustelle geboren,„… jetzt geht es ja noch. Das ist ja erst das Erdgeschoss des Hauses. Wenn wir später alles über die Leiter weiter nach oben tragen müssen, wird es erst richtig schwierig.“ Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie das Tonikum von ihrer Schwiegermutter noch nicht eingenommen hatte. Sie würde es später in der Mittagspause schlucken. Zusammen mit der Medizin erinnerte sie sich auch an die „Predigt“, die ihr ihre Schwiegermutter heute Morgen gehalten hatte: „Ach was macht das schon, dass du im dritten Monat schwanger bist. Mach doch nicht so ein Theater. Ich habe mein Leben lang auf dem Bau gearbeitet. Habe mich immer nur nach der Geburt kurz ausgeruht. Dein Mann zum Beispiel, der is  wo ich damals gearbeitet habe. Darum habe ich den ja auch Taik Maung genannt wie Taik, „Ziegelbau“. Da, nimm diese Medizin hier mit. Wenn es dir schwindlig wird, nimmst du sie ein. Und wenn dir übel wird, bloß nicht ausspucken. Schluck’s runter, sonst musst du noch kotzen. Es gibt ja nur acht Kyat am Tag, da können wir uns nicht leisten, auch nur einen Tageslohn zu verlieren. Wenn dann dein Bauch dick wird und du oben auf die Leiter musst, dann werden wir noch genug Ausfälle haben….“
Unrecht hatte sie da nicht. Sie hatten zwar bis jetzt noch keine Kinder, aber trotzdem genug Familie zu versorgen. Von Taik Maungs Seite waren da sein alter Vater, seine alte Mutter und seine von der Hüfte abwärts gelähmte kleine Schwester. Von ihrer Seite waren da eine kleine Schwester und ein kleiner Bruder. Alle zusammengenommen waren sie also zu siebt. Und von diesen sieben Menschen verdienten nur ihr Mann und sie etwas Geld. Alle anderen waren von ihnen abhängig.

Die alten Leute konnten nur noch leichte Arbeiten bewältigen. Und auch die arme behinderte Schwester von Taik Maung konnte nicht anders, als ihnen zur Last fallen. Um alles, was zu Hause an Arbeit anfiel, musste sich ihre halbwüchsige Schwester kümmern. Ihr kleiner Bruder war selten zu Hause und nur der Form halber in die offizielle Liste der Haushaltsmitglieder aufgenommen worden. Er arbeitete Tag und Nacht als Lehrling in einem Friseurladen in der Stadt für ein kleines Entgelt. Er konnte zwar keine müde Pya zum Haushalt beitragen, fiel ihnen aber auch nicht mehr zur Last. Nur manchmal kam er nach Hause, um Taschengeld zu erbitten. Das ging ja noch.
Taik Maung bekam am Tag zehn Kyat, sie acht. Achtzehn Kyat zusammen waren gerade genug, um Reis für die Familie zu kaufen. Wenn sie einen Tag nicht arbeiten konnte, etwa weil sie in den Regen kam und krank wurde, war für nichts vorgesorgt. Ein Tag Arbeit brachte genau einen Tag lang einen satten Bauch.
Es war wie ein Boot, das gegen die Strömung den Fluss hinauf gerudert werden musste. Sieben Leute saßen darin, aber nur zwei ruderten. Und wenn von diesen beiden einer einen Schlag aussetzen würde? Das Boot würde sofort abtreiben.

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