"Der Ruf des Tokkeh" von Pain Soe Way

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Obwohl er sich nie selbständig etwas aufgebaut hatte, so hatte er doch ständig jede Menge großer Ideen, wie man zu Geld kommen könnte. Mutter und Tochter kamen nun dorthin, wo er saß und ein Buch las, und setzten sich zu ihm. Eine Sitzung des Familienrates schien anzustehen.
„So, Vater. Was ist denn nun? Geld brauchen wir, Geld!“ rief seine Frau. Er bewegte sich nicht, tat, als ob er weiter lesen wollte, und dachte angestrengt nach.
„Zieh doch einfach an, was du hast.“
„Och, Papa. Soll ich denn das alte Zeug tragen? Ich hab doch bloß noch eine grüne Schuluniform. An so einem Tag trägt niemand eine Schuluniform. Und The The Oo hat gesagt, dass sie einen Jeansrock anzieht!“, beschwerte sich seine Tochter enttäuscht.
Seine Frau warf ihm böse Blicke zu. „Irgendwas müssen wir schon machen“, sagte sie.
„Geh’ halt nicht zur Preisverleihung.“
„Bitte, was???“
„Och, Papa, das kannst du doch nicht machen.“
Beide klangen sehr enttäuscht. Und einen Tokkeh hörte er auch nicht rufen.
„Jean Paul Sartre hat sogar den Nobelpreis abgelehnt. Nun sei du bloß nicht so gierig auf diesen Preis“, entfuhr es ihm spontan.
„Was für ein Jean Paul Sartre? Was erzählst du denn da für einen Blödsinn?“ Die Stimme seiner Frau wurde etwas schriller. Seine Tochter sagte nichts, war aber den Tränen nahe. Nein, so ging es nicht. Irgendwas musste er sich ausdenken. Sonst würde seine Tochter noch ganz entmutigt.
„He, ich habe dich doch nur auf den Arm nehmen wollen. Das wird schon“, tröstete er sie.
Als er nachmittags wieder nach Hause kam, hatte er fünfhundert Kyat dabei. Seine Tochter sah kurz von ihrem Buch auf und las weiter. Seine Frau sah ihn fragend an, stand auf und setzte sich zu ihm.
„So. Da hast du fünfhundert. Geh du ihr etwas zum Anziehen kaufen.“
Seine Frau prüfte das Geld und zählte die Scheine, um sie dann in ihre Tasche zu stecken.

„Von wem hast du das denn geliehen?“
Nun kam wieder eine Befragung. Er hatte keine Lust zu antworten. Nachdem er Geld aufgetrieben hatte, wollte er nicht mehr darüber reden. Wollte sich nicht noch mal den Kopf darüber zerbrechen.
„Ist doch egal, von wem ich das geliehen habe. Nun hast du das Geld, nun sei auch zufrieden.“
„Ja stimmt, ist egal, von wem. Aber wir werden auf Dauer Schwierigkeiten kriegen, wenn wir unsere Probleme immer nur lösen, indem du dir irgendwo Geld leihst.“
Die ernsten Worte seiner Frau waren ihm unangenehm.
„Wie Benjamin Franklin mal gesagt hat: ‚Willst du den Wert des Geldes kennen lernen, geh und versuche dir welches zu borgen.’ Und ich habe auch …“
„Reicht! Woher kommt denn dieser Benjamin oder so?“ sagte seine Frau ungeduldig, und er musste lachen.
„Ha, ha, ha … aus welchem Dorf der nun kommt, weiß ich auch nicht. Ich habe das mal in einem Buch gelesen und da kam es mir gerade wieder auf die Lippen.“
Geldangelegenheiten machten ihm häufig sehr zu schaffen. Und oft verlor er ihretwegen vor anderen das Gesicht.

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