"Die Nacht aus dem Meer ist eine Padaukblüte" von Zaw Zaw Aung

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Morgen wird der Padauk aufblühen, hat zwar jemand gesagt, aber mir fällt es schwer, ihm zu glauben. Mi Mi Wa … in Kalaw möchte sie wohnen. Möchte in einem kleinen, roten Auto mit flachem Dach fahren. Möchte das Video von Conan dem Barbaren immer wieder einlegen und bis zum Morgengrauen sehen. Möchte heißen Reis essen, mit Butter geknetet und etwas Zucker bestreut. An den Abenden, an denen sie keinen Film oder kein Video sieht, möchte sie um halb zehn schlafen gehen, in der Mitte der Nacht drei Mal Wasser trinken, im ersten Morgenlicht noch einmal Wasser trinken und vormittags um halb elf aufstehen.
Wenn sie beim Aufwachen die Augen öffnet, soll direkt vor ihr auf dem Fensterbrett eine Vase mit einem Zweig violetter Orchideen stehen. Wenn sie den Lack von ihren Fingernägeln entfernt, möchte sie, dass es schnell geht. Sie möchte, dass Myanmar ein Land ist, in dem es nicht eine einzige Krähe gibt. Wenn sie mich U Zaw Aung nennt, möchte sie, dass ich ungehalten aussehe und tue, als ob es mir missfällt. Außerdem möchte sie, dass wir zwei ein Häuschen bauen – ob auf dem Berg oder in der Schlucht – und zusammenleben. Obwohl man die Wünsche von Mi Wa nicht absonderlich nennen kann, habe
ich manchmal schon überlegt, ob sie nicht chaotisch sind. Oder ob dieses Fehlen von Ordnung selbst Programm ist. Wenn Mi Wa lacht, kneift sie die Augen zusammen, aber ihre Füßchen sind sehr schön. In dem Moment, in dem ich zum neuntausendsten Mal weiß, dass mein Herz schwarz ist, weiß ich auch, dass das von Mi Wa schneeweiß ist. Die vom Wasserfilter in der Ecke der Veranda fallenden Tropfen klingen sehr rhythmisch. Wenn man sie beschleunigen oder verlangsamen könnte, möchte ich das tun. Einen überaus schönen, gleichmäßigen, geregelten, makellosen Lebensrhythmus mag ich nicht. Deshalb, denke ich. Wenn Mi Was Atem schneller oder langsamer geht, wird mir wohl ums Herz. Mir ist, als ob etwas schön, bezaubernd, schade ist. Wenn auch die Blütenblätter der Rose gleichmäßig und harmonisch sind, gibt es so etwas im Himmel nicht; die Gefühle ergießen sich über den Tellerrand.

Das Licht des Mondes ist fahl. Die Wellen, die ich vorhin nicht gehört habe, werden wieder laut. Ob ich sie wahrnehme oder nicht, hängt von der Aufmerksamkeit ab. Die Ornamente auf Mi Was Longyi ahmen ein Lied nach. Den Klang des den Sand durchdringenden heißen, weißen Salzschaums glaube ich laut vom Sandstrand zu hören. Was ist am anderen Ende des Meeres? Was ist am anderen Ende des Lebens? Was ist am anderen Ende der Haare, wenn man ausdem Schädel das Hirn entfernt? Wenn man die schlanken Oberarme Mi Was herausreißt, was wird man dann wohl tief im Innern finden? Was ist auf der anderen Seite der Mündung der 155 Millimeter-Haubitze, auf die eine gelbe Chrysantheme gesteckt ist? Was ist am anderen Ende des Magens eines Kindes, das noch nicht gegessenhat? Am anderen Ende der Stelle, wo ein roter und ein schwarzer Lederstreifen der Riemchensandaletten Mi Was verbunden sind, befindet sich der glückliche Glaube Zaw Zaw Aungs, dass alles wirklich ist.
Weit weg bellen Hunde. Das auf die glatte harte Rückseite der Kokoswedel fallende Mondlicht bildet funkelnd kleine Kreise. Als in einen solchen Mondlichtkreis ein anderer hineingeht und in die Ferne entschwindet, habe ich gut verstanden, dass die verbleibende Stille unnachahmlich friedlich ist.

 

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