Was ist typisch australisch? *
Wir wissen viel und dabei reichlich Klischeehaftes über Australien. Für Urlauber reicht das sicher und noch hat sich wenig geändert.
Australien verfügt über riesige Vorkommen an Eisenerz und Erdgas, liegt nahe seinem größten Absatzmarkt, hat wenig Einwohner und ausreichend unbewohnten Raum (Rechte und Schutz der Aborigines kommen aber eher in Lippenbekenntnissen vor), um Naturschutz bloß punktuell pflegen zu können, ohne dass die Regierung Massendemonstrationen aufgrund der Zerstörung und Verschmutzung vieler Regionen befürchten muss. In Australien leben allerdings immer noch finanziell gut abgesicherte Pensionisten, die unentgeltliche Arbeit im sozialen und Umweltbereich leisten. Seit 27 Jahren erlebte das Land keine Rezession, hat dafür eine florierende Wirtschaft, die Löhne in die Höhe treibt. Australien hat mit 29 Prozent weltweit den größten Anteil an Einwohnern, die in anderen Ländern geboren wurden, weil die Regierung gut ausgebildete Einwanderer aus allen Kulturen begrüßt. Dass sie gleichzeitig Flüchtlinge seit Jahren unglaublich unmenschlich behandelt, ist die Kehrseite und nicht nachvollziehbar, wenn man an ihr Willkommen-Heißen der vietnamesischen Boat People in den 70er-Jahren denkt. Australien ist nach wie vor der Kontinent der schroffen Gegensätze: politisch, sozial, ökonomisch. Ist das Land ein menschengemachtes Spiegelbild der Natur?
Vielleicht sind diese Gegebenheiten auch Garant dafür, dass die meisten Klischees über Aussies noch halten. Sie sind freundlich, hilfsbereit, machen sich lustig über sich selbst und pflegen Witze über ihre größten Einwanderergruppen. Sie könnten ohne exzessives Grillen nicht leben, sind sportversessen und fliegen zum Biertrinken nach Bali. Die Städter hegen ein romantisierendes Bild vom Outback, wie er nie war, und haben eine eigene australische Mentalität und Kultur erschaffen, auf die sie zu Recht stolz sind. Doch der wirtschaftliche Boom zeigt bereits fühlbar seine Folgen.
Für europäische Touristen bedeuten die Veränderungen der letzten Jahre, dass der Kontinent teurer zu bereisen ist als früher. Entstehen intensive Gespräche mit Einheimischen, wird klar, dass das Unbehagen der Regierung gegenüber wächst, weil es wenig Innovation gibt, wenige Reformen, die sichtbar notwendig werden. Außerdem fürchtet man die Abhängigkeit von China, das in fast allen Bereichen der wichtigste australische Exportmarkt geworden ist. Da die Beziehung zu den USA unter Trump tendenziell angespannt ist, wird China aber wohl weiterhin der wichtigere Partner bleiben.
In allen touristischen Hotspots wird Umweltschutz großgeschrieben – jedoch nicht außerhalb! Reisende sollten sich deshalb nicht wundern, wenn diesbezüglich westliche Standards hier irrelevant sind. Nicht wundern sollte man sich außerdem, dass mindestens ein Viertel aller Erzzüge mittlerweile von Maschinen gesteuert in die Häfen fährt – somit werden die Riesenlastwagen in den Minen nicht mehr von Menschen gefahren und daher fliegen an Wochenenden nicht mehr Tausende Arbeiter von und nach Perth (weshalb es übrigens leichter ist, Zimmer sowie freie Tische in den Lokalen zu finden). Doch das hat natürlich nichts mit Umweltschutz, sondern mit Einsparungen und Profit zu tun. Die Städte sind farbenfroh und bieten alles, was das Herz begehrt, oft in wunderbaren Mischungen, die dem geförderten Kulturenmix zu verdanken sind. Landstädte verfügen über Kulturzentren, die großartige Begegnungsorte sind, immer auch gute Anlaufstellen für junge Langzeitreisende, die zwischendurch Jobs und Treffen mit Gleichaltrigen suchen.
In manchen Gegenden sind die Veränderungen durch den Klimawandel in den letzten zehn Jahren spürbar geworden. Das trifft nicht nur die Getreidefarmer und Winzer im Südwesten, sondern ebenfalls Städte wie Perth, das unter Wassermangel leidet. In Queensland sind die Folgen teilweise schon sichtbar. Ein Drittel des berühmten Great Barriere Reef ist nachhaltig geschädigt bzw. zerstört. Im dürren Südosten des Kontinents kämpfen immer mehr Bauern ums Überleben, aber die Entwicklung ist kaum aufzuhalten, zu lange wurde nichts für den Erhalt der Wälder und Wasserquellen getan.
Für den Reisenden spielen diese Fakten noch kaum eine Rolle. Die meisten Klischees der letzten Jahrzehnte findet man lächelnd bestätigt. Die Menschen lieben immer noch sprachliche Abkürzungen wie kein anderes englischsprachiges Volk, arbeiten ohne den Überstundenstress der restlichen westlichen Welt und integrieren Outdoor-Aktivitäten in den Alltag viel mehr als wir Europäer. Wer das Gespräch sucht, wird schnell ein differenziertes Bild von Down Under entwickeln, wer einen perfekten Urlaub erwartet, wird nicht enttäuscht. Australien ist beneidenswert reich, aber es wird sehr bald mit tiefgreifenden Veränderungen leben lernen müssen.
(Beatrix Kramlovsky ist u.a. Autorin des Reisebuchs Australien)
Gewusst?
Kängurus sind wohl das Symbol Australiens und gemeinsam mit dem Emu auch am Staatswappen abgebildet. Die Bezeichnung „Känguru“ bzw. „Kangaroo“ geht allerdings auf ein Missverständnis zurück: Als erster Europäer soll der britische Seefahrer James Cook die Tiere gesehen haben – auf die Frage, welches Tier das sei, antworteten die Eingeborenen mit „gang-oo-roo“. Dies bedeutet allerdings lediglich „Ich verstehe dich nicht!“, Englisch beherrschten sie damals nämlich natürlich nicht. Übrigens können Kängurus und auch Emus sich nicht rückwärts bewegen: Passend zum Motto „Always forward“ prangen daher beide Tiere am australischen Staatswappen. Damit ist Australien aber wohl auch das einzige Land weltweit, das seine Wappentiere verzehrt. 1932 erklärte das australische Militär außerdem der Emu-Plage im Bundesstaat Western Australia den Krieg, musste sich aber schließlich geschlagen geben. Das Wombat, ein weiteres Tier, das nur in Australien lebt, kackt übrigens Würfel: Seine Exkremente kommen tatsächlich in perfekten Quadraten – das hilft, das Revier zu markieren, Quadrate rollen schließlich nicht davon. Und der australische Leierschwanz ist in der Lage, 20 andere Vögel zu imitieren, aber auch das Geräusch einer Kettensäge, Autoalarme und das Auslösen einer Kamera. Nebenbei stammt das Wort Selfie aus Australien: 2002 verwendete es ein Aussie erstmals im australischen Online-Forum von ABC Science – er kommentierte sein Selbstporträt, das eine Verletzung im Gesicht nach einem betrunkenen Sturz zeigte, damals mit: „Sorry for the focus, it was a selfie.“ Apropos Alkohol: Bob Hawke, der ehemalige Premierminister trank 1,4 Liter Bier in 11 Sekunden, damit brach er den zuvor bestehenden Weltrekord. Belegt ist außerdem, dass europäische Siedler in Australien einen höheren Alkoholkonsum pro Kopf hatten als jede andere Gesellschaft in der Geschichte. Heute trinkt der durchschnittliche Aussie rund 96 Liter Bier pro Jahr. Und pro Kopf geben Australier mehr Geld für Glücksspiele aus als jede andere Nation, 80 Prozent aller Erwachsenen üben Glücksspiel in irgendeiner Form aus. Was auch viele nicht wissen: In Melbourne, das einmal Batmania hieß, lebt die größte Anzahl von Griechen außerhalb von Athen und in den Australischen Alpen schneit es mehr als in der Schweiz.
Typisch australisch! ist ein Auszug aus: