Pub-Kultur in England
Wer als Reisender England besucht, sei es aus privaten, touristischen oder geschäftlichen Gründen, wird in der Regel vor Ort mit der vielfältigen Pub-Kultur in Berührung kommen und diese im Idealfall näher kennen- und vielleicht sogar lieben lernen. Das englische public house hat eine lange Geschichte und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit, obwohl der beschleunigte Strukturwandel der Öffentlichkeit die Pubs in den Zustand einer Dauerkrise versetzt hat, den viele Betreiber als existenzbedrohend empfinden. Auch die Corona-Pandemie der letzten Jahre hat dazu beigetragen, dass die Anzahl der „Kneipen“ in England von dem Jahr 2000 bis 2024 weiter um gut ein Drittel, von ca. 60.000 auf etwa 40.000, zurückgegangen ist.
Der Aufstieg der Pub-Kultur
Die Wirtshäuser in England gehen alle zurück auf die „Tabernas“ aus der Zeit der römischen Besatzung „Britannias“ im Zeitraum von 43 bis etwa 440 n. Chr., wo in meist primitiven Gebäuden an stärker frequentierten „Verbindungsstraßen“ importierter Wein aus Italien oder Spanien ausgeschenkt sowie einfache „Snacks“ wie Oliven und Brot angeboten wurden. Noch heute ist tavern eine gängige Bezeichnung für anspruchsvollere (und teurere) Pubs mit Geschichte – die Bedeutung des Begriffs hat also über die Zeit eine Aufwertung erfahren. Nach Abzug der Römer und dem damit verbundenen Versiegen des Weinnachschubs kam mit den Angeln und Sachsen und den Dänen die Bierbraukultur auf die Britischen Inseln. Mit dem „Ale“ kreierte man eine eigene Biersorte und begründete damit eine Tradition, die sich im Vereinigten Königreich bis heute als nationales Kulturgut gehalten hat.
Das Wort „Ale“ wird in Großbritannien zwar häufig als Synonym für Bier im Allgemeinen verwendet, ist aber im engeren Sinne ein Sammelbegriff für obergäriges Bier mit mittlerem Alkoholgehalt, das ursprünglich ohne und später mit wenig Hopfen gebraut wurde. Seit dem 16. Jahrhundert müssen Wirte übrigens eine Lizenz erwerben, um einen Pub mit Alkoholausschank eröffnen und betreiben zu dürfen.
Jeder gute Pub hat seitdem eine Auswahl an (lokalen) Ales, dem oft bernsteinfarbenen „Bitter“, das etwas weniger kühl gezapft bzw. gepumpt wird als die aktuell populäreren untergärigen Biere (Pils, Lager), die erst Ende des 19. Jahrhunderts aufkamen. Im Vereinigten Königreich wird Bier immer noch in Pint- oder Half-Pint-Gläsern mit Eichstrich ausgeschenkt und traditionell bis zum Rand gefüllt ohne Bierschaum oder -krone. Das mindert zwar das Aroma, ist aber nach angelsächsischer Rechtsauffassung die einzig redliche Art des Bierausschanks. Ein Pint entspricht ca. 0,57 Liter und kostet als Bier zurzeit im Schnitt 7 Pfund (gut 8 €).
Die eigentliche Blüte der Pub-Kultur in England begann im 18. Jahrhundert mit dem Aufstieg der Mittelschicht, der Industrialisierung und der gesteigerten Mobilität. Seit dieser Zeit wurden Pubs immer beliebter als Orte für soziale Kontakte, Unterhaltung und Geselligkeit, aber auch als Unterkünfte für Reisende. Solche spezialisierten Gasthöfe, die bis heute „Inn“ genannt werden, gab es schon seit dem späten Mittelalter. Das älteste noch bestehende Inn Londons ist das „George Inn“ in Southwark, südlich der Themse. Es wurde 1542 erbaut, das ältere Tabard Inn wurde bereits 1388 in Geoffrey Chaucers berühmten „Canterbury Tales“ erwähnt, aber leider 1874 trotz Protesten der Bevölkerung abgerissen. Heute erinnert eine Gedenkplakette in der Tabard Street an das legendäre Gasthaus.
Im 19. Jahrhundert zu Zeiten von Königin Victoria erreichte die Pub-Kultur ihren ersten Höhepunkt. Es gab ca. 100.000 Pubs in England, was etwa einem Wirtshaus pro 400 Menschen entsprach. Pubs waren ein integraler Bestandteil der englischen Kultur geworden und spielten eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft. Sie waren Orte, an denen Menschen zusammenkamen, um zu trinken, zu essen, zu spielen, zu diskutieren und einfach nur Gesellschaft zu pflegen. Pubs waren gemeinhin gemütlich eingerichtet und boten eine entspannte Atmosphäre; manchmal gab es auch eine Bühne und/oder einen Tanzsaal.
Auf dem Höhepunkt der Pub-Kultur Ende der 1930er Jahre verbrachten viele Menschen mehr Zeit in Pubs als in anderen Einrichtungen - außer in Privathäusern und an Arbeitsplätzen. Als soziale Institution war die Kneipe wichtiger als Kirche, Kino, Tanzlokal und politische Organisationen zusammen. Nach dem 2. Weltkrieg aber begann der langsame Niedergang. Und heute gilt: Der Pub spielt eine geringere Rolle im Leben der Menschen als jemals zuvor, aber Totgesagte leben länger, wie wir im weiteren Verlauf dieses Artikels sehen werden!
Schilder und Namen
In der Frühzeit der Pub-Kultur, dem ausgehenden Mittelalter, als die meisten Menschen noch nicht zuverlässig lesen oder schreiben konnten, hatten Pubs schlichte Namen, die zur eindeutigen Identifikation mit einfachen Motiven auf Schildern visualisiert wurden, wie z.B. „The Goat“, „The White Horse“, „The Bell“ oder „The Cross“. Seit dem 14. Jhd. waren solche Pub-Schilder angeblich Pflicht in England.
Im Laufe der Zeit wurden die Namen der Pubs insgesamt kreativer, ausdrucks- und anspruchsvoller. Oft wurden sie von lokalen Mythen (z.B. „The Mermaid“), historischen (z.B. The Battle of Waterloo“) bzw. aktuellen Ereignissen (z.B. „The Brexit Arms“) inspiriert oder bedienten sich bei Adelsnamen (z.B. „The Lord Nelson“) bzw. -titel (z.B. „The Queen´s Head“, „The Prince of Wales“). Beliebt waren auch ländliche Motive (z.B. „The Hare & Hounds“). Viele beziehen sich auf einen bestimmten Sport („The Cricketers“), eine Region („The Manchester Arms“) oder auf bestimmte Verkehrsmittel (z.B. „The Coach & Horses“). Hinter besonders eigenwilligen, oft rätselhaften Namen verbirgt sich gelegentlich eine lustige Geschichte, wie z.B. „The Elefant&Castle“ – eine Verballhornung des spanischen „Infanta de Castile (oder Castilla)“.
Übrigens: Wenn das Wort „Arms“ im Namen erscheint, wie z.B. „The King´s Arms“ oder „Carpenters Arms“, dann hat das eher nichts mit den Armen der Person oder deren Waffen zu tun, sondern in der Regel mit ihrem “coat of arms“, dem Wappen.
Pubs als Spiegel der Klassengesellschaft
Die meisten Pubs boten mehrere Räume für unterschiedliche Zielgruppen - mit unterschiedlichen Preisen! Frauen durften üblicherweise nur in Begleitung eines/ihres Mannes einen Pub betreten und sich dort aufhalten (siehe unten)!
Die folgende Übersicht zeigt die Vielfalt der möglichen Raumstruktur. Üblicherweise bestanden Pubs aus zwei – drei verschiedenen Räumen, oft mit eigenen Zu- und Ausgängen:
In britischen Pubs waren die Saloon Bar, die Public Bar und die Private Bar drei verschiedene Bereiche, die unterschiedliche Klientelen und Anspruchsniveaus bedienten.
Die Public Bar (auch Tap Room oder Lounge Bar genannt) war und ist heute oft noch der Haupt- und Gemeinschaftsbereich eines Pubs. Typischerweise herrscht dort eine lockerere und lebhaftere Atmosphäre, mit einer großen Auswahl an Sitzmöglichkeiten, darunter Barhocker, Nischen und Tische. Auch die Einrichtung ist entspannter, wobei der Schwerpunkt eher auf Funktionalität als auf Eleganz liegt. Öffentliche Bars sind im Allgemeinen die günstigste Option für Getränke und Essen.
Die Saloon Bar war und ist ein eleganterer und gehobenerer Bereich des Pubs und befindet sich meist an der Vorderseite des Lokals. Die Raumaufteilung ist großzügiger und heimeliger, mit bequemen Sitzgelegenheiten, komfortablen Sesseln und manchmal sogar Kaminen. Die Einrichtung ist anspruchsvoller und einladender und schafft eine intimere und entspanntere (Wohnzimmer-)Atmosphäre. Saloon-Bars bieten standardmäßig eine größere Auswahl an Getränken und Speisen.
Die Private Bar war ein exklusiverer und diskreterer Bereich des Pubs und befand sich in einem separaten Raum oder im hinteren Teil des Lokals. Es war vor allem für private Zusammenkünfte, Geschäftstreffen oder besondere Anlässe gedacht. Private Bars hatten oft einen Portier oder Gastgeber, der dafür sorgt, dass nur autorisierte Gäste Zutritt haben. Die Einrichtung war typischerweise elegant und luxuriös, mit hochwertigen Möbeln, Kunstwerken und entsprechendem Ambiente. Private Bars boten häufig eine größere Auswahl an erlesenen Getränken, Speisen und Service.
Die Unterscheidung zwischen diesen drei Arten von Bars ist im Laufe der Zeit weniger streng geworden, und viele Pubs haben heute eine einheitliche Struktur. Die ursprüngliche Trennung spiegelte jedoch die historischen sozialen Klassenunterschiede in Großbritannien wider, wo die öffentliche Bar traditionell von Männern der Arbeiterklasse besucht wurde, die Saloon-Bar eher bei Kunden aus der Mittelschicht beliebt war und die private Bar der Elite, der „upper class“ vorbehalten war.
In Pubs konnten aber trotz der unterschiedlichen Räume Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten zusammenkommen, sich kennenlernen und austauschen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts veränderte sich jedoch die Struktur der Pubs. Kleine Kneipen wurden zunehmend durch größere Häuser ersetzt, die eine breitere Auswahl an Getränken und Speisen boten.
Pub-Food – meist gut und günstig
Wie bereits erwähnt, gab es schon in den antiken Tabernas ein kleines Angebot an Speisen, das mit dem Aufstieg der Pub-Kultur entsprechend den Bedürfnissen der Gäste angepasst und erweitert wurde. Beim Pub Food handelt es sich bis heute normalerweise um einfache, bewährte Gerichte, die relativ schnell zubereitet und „preiswert“ angeboten werden können. „Pub Grub“ ist auch gerade für Touristen eine unkomplizierte Alternative zu den regulären und oft viel teureren englischen Restaurants oder zu internationalen Fast Food Ketten.
Hier sind einige Beispiele für Gerichte, die in Pubs häufig angeboten werden:
• Fish and Chips ist das vielleicht beliebteste klassische Pub-Gericht, das aus frittiertem Fisch (Kabeljau, Schellfisch) mit Remoulade und Pommes Frites besteht.
• Shepherd's Pie ist ein Auflauf aus Hackfleisch, Kartoffeln und Erbsen/Möhren.
• Steak and Ale Pie: Eine herzhafte Pastete mit Rindfleisch, oft in einer reichhaltigen Ale-Sauce gekocht und mit einer Teigkruste bedeckt.
• Lamb Curry ist ein klassisches indisches Curry mit Lammfleisch.
• Bangers with Gravy, Mash and Peas: Ein weit verbreitetes Gericht aus Würstchen und Kartoffelpüree, dunkler Bratensoße und Erbsen.
• Cottage Pie: Ein Eintopf aus Hackfleisch, Zwiebeln, Karotten und Kartoffeln.
• Ploughman´s Lunch: Eine kalte Platte mit Käse, Brot, Chutney, Gewürzgurken, Zwiebeln und Pickles und manchmal Schinken oder diversen Wurstsorten.
• Burger-Variationen: Ein großes Bun, gefüllt hauptsächlich mit einer gegrillten Scheibe aus Rinderhackfleisch, etwas Salat und Zwiebeln serviert, oft mit Chips
• Full English Breakfast: Das klassische herzhafte englische Frühstück mit Speck, Würstchen, Eiern, Bohnen, Tomate und Toast.
• Selection of Freshly Cut Sandwiches: Die Auswahl der Sandwiches kann je nach Pub variieren, einige beliebte Optionen sind: Cheddar- und Schinken-Sandwich, Club-Sandwich, Egg-Mayo-Sandwich, Chicken-Salad-Sandwich.
Aber auch Varianten ohne Fleisch oder Fisch, wie z. B. Sandwiches mit Käse, Gemüse oder Hummus werden immer häufiger angeboten. Die Sandwiches werden normalerweise mit einer Auswahl an Saucen und Dips serviert, wie z. B. Senf, Ketchup, Mayonnaise oder Hummus. Sie können auch mit einer Beilage zu einem Tellergericht erweitert werden, wie z. B. Pommes Frites, Kartoffelsalat oder Salat.
Vegetarische Angebote
• Vegetarische Pasteten oder Pies, z.B. Gemüse-Pie oder Käse-Pie.
• Halloumi-Burger oder Gemüse-Burger als Alternative zu Fleischburgern.
• Gerichte wie vegetarische Lasagne, Gemüse-Curry oder Risotto.
• Jacket Potatoes (Ofenkartoffeln) mit verschiedenen vegetarischen Belägen wie Baked Beans, Käse, Gemüse oder Salat. Vegane Angebote
• Vegane Burger mit Gemüse-Patties oder pflanzlichen Fleischalternativen.
• Gerichte wie veganes Curry, Chili sin Carne (ohne Fleisch) oder vegane Pasta.
• Falafel-Teller oder Wrap mit Hummus und gegrilltem Gemüse
• Pommes frites oder Sweet Potato Fries mit veganen Saucen.
Sunday Roast
Der Sonntagsbraten, auch Sunday Lunch genannt, ist eine traditionelle britische Mahlzeit, die aus gebratenem Fleisch, gerösteten Kartoffeln, Yorkshire-Pudding, Füllung, Soße und Gemüse besteht. Der Sunday Roast erfreut sich anhaltender Beliebtheit und wird normalerweise sonntags mittags bis abends in Pubs serviert.
Die am häufigsten für einen Sonntagsbraten verwendete Fleischsorte ist Rindfleisch („Roast Beef“), es können aber auch Lamm, Schweinefleisch, Huhn und sogar Fisch zubereitet werden. Das Fleisch wird typischerweise im Ofen geröstet, bis es perfekt gegart und gebräunt ist, dann geschnitten und zusammen mit den anderen Beilagen auf einem Teller serviert.
Geröstete Kartoffeln sind ein Grundbestandteil des Sonntagsbratens und werden so lange gebraten oder gegrillt, bis sie außen goldbraun und knusprig und innen locker sind. Der Yorkshire-Pudding ist ein leichter und luftiger Teig, der in einem heißen Ofen mit dem Fleisch gebacken wird, bis er aufgeht und eine hohle Schale bildet. Die Füllung besteht aus einer Mischung aus Brot, Kräutern und Gewürzen, die ebenfalls oft zusammen mit dem Fleisch gebacken wird. Die dunkle Soße wird aus dem Bratensaft des Fleisches und weiteren Zutaten wie z. B. Zwiebeln, Knoblauch, Mehl, Butter und Brühe hergestellt. Dieser Gravy ist ein wichtiger Bestandteil des Sunday Roast, da er dem Essen zusätzliches Aroma und Geschmack verleiht. Er wird reichlich über das Fleisch, die Kartoffeln, den Yorkshire Pudding und die anderen Beilagen gegossen.
Gemüse ist ein wichtiger Bestandteil des Sonntagsbratens und kann geröstete Karotten, Pastinaken, Rosenkohl und Erbsen umfassen. Einige Pubs bieten optionale Extras wie Meerrettichsauce und die berühmt-berüchtigte Minzsauce an.
Der Sonntagsbraten ist eine herzhafte und sättigende Mahlzeit, die sich perfekt für ein Familientreffen im Pub eignet und ein willkommener Anlass, sich ein oder zwei „pints of bitter“ oder „lager“ zu gönnen..