Typisch Schweizerisch

Das Matterhorn in der Schweiz, der bekannteste Berg der Alpen © M.studio - Fotolia.com

Was ist typisch schweizerisch? I *

In der Vorstellung nicht weniger Menschen, die außerhalb der schweizerischen Eidgenossenschaft leben, beschäftigen sich deren Einwohner vornehmlich mit der Produktion von Käse, Schokolade oder Uhren; immer wieder, so denkt man sich, tauchen korrupte Personen von nah und fern in dem – zu den kleinsten und ältesten Ländern der Welt zählenden – Staat auf, um ihr Geld in Koffern abzuliefern. Dazwischen warten jodelnde Heidis oder ein Alphorn spielender Senner. Doch abgesehen von Klischees und Vorurteilen hat die Schweiz neben prachtvollen Bergmassiven, klaren Gewässern, hübschen Städten und Dörfern einige Besonderheiten zu bieten, die wirklich typisch schweizerisch sind. 

Schweizer Freiheitstradition und Sprache

Die Schweizer Eidgenossen: Warum sie sich so nennen? Das geht zurück auf den Rütlischwur, einen Eid, den die ersten Eidgenossen 1271 leisteten, indem man sich gegen die Habsburger Landesherren verbündete. Jedes Jahr am Nationalfeiertag, dem 1. August wird des Rütlischwurs gedacht. Generationen von Schülern wurde das Ereignis durch Friedrich Schillers Wilhelm Tell nahe gebracht.

Das Schweizerdeutsch als eine von vier Amtssprachen: „Grüezi mitenand.“ Wohl jedes noch so kleine Örtchen hat seinen eigenen Dialekt – die Einheimischen können durch ihre Mundart sofort ihre Herkunft ziemlich genau identifizieren. Hochdeutsch hat in der deutschen Schweiz den Rang einer Fremdsprache. Übrigens sagt man in der Schweiz grillieren und nicht grillen und das Auto wird parkiert. Na dann: „Uf Wiederluege.“

Heidi-Denkmal in Maienfeld © tauav - Fotolia.com

Schweizer Literatur: Ihre erste Begegnung mit der Schweiz hatten viele Nicht-Schweizer bereits im zarten Kindesalter durch Johanna Spyris Heidi, entweder als Buch oder durch eine der zahlreichen Verfilmungen. Heidi ist die Alpensaga schlechthin, in 50 Sprachen übersetzt und `zig Millionen Mal verkauft. Weitere Schriftsteller, die über die Schweizer Grenzen hinaus Ruhm erlangt haben, sind Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Urs Widmer, Martin Suter, Peter Bichsel und Annemarie Schwarzenbach. Der Stern am Komödiantenhimmel ist seit den 1970er Jahren Emil Steinberger.

Die schweizerische Mentalität: Die Schweiz existiert als älteste Demokratie der Welt friedlich vor sich hin – dank der Kompromissfähigkeit der Bevölkerung und des Konkordanzsystems. Eidgenossen gelten als pragmatisch, nüchtern und fleißig. Dementsprechend ist das Land eher bekannt für hervorragende Geschäftsleute und gute Architekten, Freundlich und hilfsbereit, aber etwas distanziert – so seien die Schweizer. Ein starker Föderalismus ist dafür verantwortlich, dass in der Schweiz alles aus der lokalpolitischen Perspektive wahrgenommen wird: So mag die als überheblich und vorlaut geltenden Zürcher niemand so wirklich, vor allem die Basler nicht; Bernern sagt man nach, etwas träge und bedächtig zu sein, und die Aargauer sind das schweizerische Pendant zu den Ostfriesen in Deutschland, während die italienisch parlierenden Tessiner als ausnehmend temperamentvoll gelten. Der „Röstigraben“ meint eine Art kulturelle Grenze, welche die deutsch- (eher konservative) und die französischsprachige (mehr urban und kosmopolitisch angehauchte) Schweiz voneinander trennt. Überall in der Schweiz gelten die Bewohner als sehr pünktlich und kommt ein Zug auch nur eine Minute zu spät, steht wildes Fluchen an der Tagesordnung. In der Regel kann man aber seine Uhr nach der Abfahrt der Züge stellen.

Flagge © Björn Wylezich-fotolia.com
Die offizielle Flagge der Schweiz © Björn Wylezich-fotolia.com

Schweizer Brauchtum: Schwingen ist der inoffizielle Nationalsport der Eidgenossen, dabei handelt es sich um eine Variante des Ringens – im Rahmen des alle drei Jahre stattfindenden Schwing- und Älplerfests kann man dieser Tradition, bei der nach absolviertem Ringen eine überdimensional große Kuhglocke herumgetragen wird, beiwohnen. Ein weiterer Nationalsport ist das Hornussen, eine schweizerische Abwandlung des Baseball-Spiels. Bekannt ist auch das von den Engländern importierte Eispolo in St. Moritz. Das Zürcher Sechseläuten findet im April statt und soll den Winter austreiben, beim Morgestraich zum Auftakt der Basler Fasnacht wird nach dem Aschermittwoch montags um vier Uhr frühmorgens die Innenstadt komplett dunkel. 

Schweizer Symbol: Das weiße Kreuz auf rotem Grund war ursprünglich ein eidgenössisches Erkennungszeichen und wurde später als Wappen übernommen. Seit 1889 ziert es offiziell die Schweizerfahne (hier heißt es nicht „Flagge“). Das Rote Kreuz auf weißem Grund als Symbol des internationalen Rettungsdienstes ist ebenfalls Schweizer Ursprungs. Henry Dunant hat es 1983 in seiner Heimatstadt Genf gegründet. Auch viele schweizerische Produkte erkennt man an dem Fahnenmotiv, wie zum Beispiel das Schweizer Offiziersmesser von den Firmen Victorinox oder Wenger. Die bedeutendsten Hersteller hochwertiger Uhren findet man in der Schweiz. Die bekannteste Marke ist Rolex.

Die direkte Demokratie: In der Schweiz regiert das Volk, de jure verfügt sie über keinen Regierungschef und auch keine Hauptstadt. So wird selbst über Einzelfragen wie über die Müllsackfarbe abgestimmt. Dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass das Wahlrecht für Frauen erst 1971 eingeführt worden ist.

Schweizer Neutralität: Die Schweiz hat sich seit über 200 Jahren an keinem bewaffneten Konflikt zwischen anderen Staaten mehr beteiligt. Bekannter als das Schweizer Militär ist daher eher die Schweizer Garde, die im Vatikan so etwas wie die Hauspolizei darstellt, und das schon seit über 500 Jahren.

Käse-Fondue © tsuboya-fotolia.com
Wer Käse mag, ist klar im Vorteil © tsuboya-fotolia.com

Schweizer Küche: Kulinarisch hat die Schweiz bis weit über ihre Grenzen Berühmtheit erlangt. Für die Schweizer stellt ihr Nationalgericht, das Käsefondue, eine ausgewogene Mahlzeit dar. Traditionell werden dazu diverse Käsespezialitäten wie Appenzeller, Emmentaler, Greyerzer und Tilsiter, eingeschmolzen und mit darin eingetauchten Brotstücken verzehrt. Genauso beliebt ist das Raclette. Riesige Käselaibe werden auf einem Tischgrill angeschmolzen und der flüssige Käse heruntergeschabt. Oder man nimmt einen Racletteofen, in den man kleine Pfännchen mit Käsescheiben schiebt. Dazu gibt es Kartoffeln und Silberzwiebeln und Pfeffer. Eher etwas für die nicht-vegetarische Fraktion ist das Bündner Fleisch, luftgetrocknetes, mageres Rinderfleisch aus der Keule, das hauchdünn geschnitten wird. Berner Rösti und Züricher Geschnetzeltes sind ebenso verbreitet. Als Nachspeise mundet dann ein Stückchen Schokolade von einem der bekannten Schweizer Schokoladenhersteller, zu deren bekanntesten Lindt und Toblerone gehören. Wer an Husten leidet, greift aber besser zu Ricola, den würzigen Kräuterbonbons aus der Schweiz. Das Birchermüsli aus Nüssen, Getreide und Jogurt stammt ursprünglich ebenfalls aus der Schweiz, Dr. Bircher hat dieses heilende Rohkostgericht einst kreiert.

(Elisabeth Pfurtscheller)

Stausee Schweiz ©Kevin Klarer-pixabay.com
Stausee in den Schweizer Bergen ©Kevin Klarer-pixabay.com

Gewusst? Ein beträchtlicher Teil der Schweizer Berge ist ausgehöhlt: Über 8.000 Bunker dienen für Armee und Zivilschutz im Falle eines Kriegsereignisses. Diese sind raffiniert in die natürliche Umgebung integriert: Sie sehen aus wie altmodische Wohnhäuser oder verstecken sich hinter Felsen. Per Gesetz müssen alle Schweizer einen eigenen Luftschutzraum mit Luftfilter oder wenigstens Zugang zu einem solchen Raum haben – mit über 300.000 Schutzräumen sind alle Einwohner bei einem Angriff geschützt. Außerdem gibt es mehr als 1.500 Seen im Land und so ist man niemals mehr als 16 Kilometer von einem entfernt. Deshalb generiert die Schweiz auch 60 Prozent des Stroms mittels Wasserkraft. Und übrigens steht die Schweizer Luftwaffe ausschließlich zu den üblichen Bürozeiten zur Verfügung – ein Angriff vor acht Uhr am Morgen ist also nicht erwünscht. Übrigens gibt weltweit lediglich zwei quadratische Landesflaggen, neben dem Vatikan hat die Schweiz eine solche: Bei den Olympischen Spielen ist aber eine rechteckige Ausgabe davon zu sehen, auch wenn eine Handelsflotte unter Schweizer Flagge in internationalen Gewässern fährt, wird die spezielle rechteckige „Schweizer Flagge zur See“ verwendet. Außerdem verzeichnet sie den weltweit höchsten Konsum an Cannabis: Schätzungsweise werden jährlich an die 100 Tonnen Haschisch verraucht. In der Schweiz ist es per Gesetz verboten, Meerschweinchen einzeln zu halten – es müssen mindestens zwei sein. Aus diesem Grund gibt es auch spezielle Meerschweinchen-Vermittlungsagenturen, die für ein verwitwetes Tier einen Partner findet, wenn man kein neues kaufen möchte. Sollte das zweite Meerschweinchen auch sterben, ist es möglich, das gemietete wieder zurückzubringen. In der Schweiz befindet sich zudem der kleinste Rebberg der Welt – stolzer Besitzer der drei Reben des 1,67 Quadratmeter umfassenden La Vigne à Farinet im Wallis ist der Dalai Lama. Nur zwei Prozent des in der Schweiz konsumierten Weines wird exportiert. Die Mutter von James Bond stammt aus der Schweiz. Als Albert Einstein seine Relativitätstheorie publizierte, war er beim Patentamt Bern angestellt. In Bern gibt es einen Brunnen, den man als Kindlifresserbrunnen bezeichnet – den genauen Grund kennt man nicht.

Typisch schweizerisch! I ist ein Auszug aus:

Länderklischees
Alle Iren haben rote Haare